Exportschlager Frau

■ Eine neue Studie der UNO hat ergeben: Die Gewalt gegen Arbeitsmigrantinnen in Asien ist alarmierend gestiegen

Die junge Frau ist in heller Panik. Ihr Ehemann habe einen Schlaganfall erlitten und werde gewiß sterben, schluchzt sie.

Jahrelang hat Helena mit dem jetzt 64jährigen Hongkonger Hausmeister zusammengelebt, sich von ihm schlagen und beschimpfen lassen, ihn bekocht und seinen Dreck weggeräumt. Und das alles, um sich das Recht auf ein eigenes Dauervisum und eine Arbeitslerlaubnis in der britischen Kolonie zu erwerben. In vier Wochen hätte sie es geschafft, und sie wäre frei gewesen. Nun scheint alles vergebens. Wenn der Mann jetzt stirbt, müßte sie Hongkong umgehend verlassen und auf die Philippinen zurückkehren.

Helena, die philippinische Krankenschwester, lebt seit sechs Jahren in Hongkong und verdient sich ihr Geld dort mit Putzjobs. Sie ernährt ihre Eltern und Geschwister mit ihren monatlichen Überweisungen. Damit gehört sie zu den offiziell 4,2 Millionen philippinischen Männern und Frauen, die als ArbeitsmigrantInnen im Ausland leben, vor allem in den asiatischen Nachbarländern und den arabischen Ölstaaten.

Seit den siebziger Jahren unter Diktator Ferdinand Marcos ist die Arbeitskräfteausfuhr ein wichtiger Devisenbringer für den philippinischen Staat. Rund ein Fünftel seiner Exporteinkünfte kommen aus den Überweisungen der MigrantInnen aus dem Ausland.

Für die aufstrebenden Nachbarländer wie Hongkong, Singapur und Malaysia, in denen nach offiziellen Statistiken Vollbeschäftigung herrscht, sind die billigeren GastarbeiterInnen in den letzten Jahren unverzichtbar geworden: Fast ein Fünftel aller Arbeitskräfte in Singapur kommen heute aus dem Ausland.

Im 19-Millionen-Staat Malaysia sind über 650.000 ArbeitsmigrantInnen registriert. Nach Angaben der Frauenorganisation Tenaganita könnten bis zu drei Millionen im Land sein. Sie kommen vor allem aus Indonesien, Thailand, den Philippinen oder Bangladesch. Sie arbeiten in den Feldern, auf dem Bau, in Fabriken oder – vor allem die Frauen – als Hausangestellte und in Hotels, Bars und Bordellen.

Viele haben sich noch in ihrem Heimatland verschuldet, um die hohen Gebühren der Vermittler aufbringen zu können. Oft wagen sie es auch dann nicht, ihren Arbeitgeber zu verlassen, wenn dieser sie mißhandelt: Die Arbeitserlaubnis wird ungültig, wenn sie sich einen anderen Arbeitsplatz suchen.

Fast alle Empfängerländer haben wie Hongkong strikte Gesetze und Regelungen erlassen, um sicherzustellen, daß die MigrantInnen sich bei ihnen nur im Ausnahmefall niederlassen können.

Wenige gehen allerdings so weit wie Singapur, das ausländischen ArbeiterInnen, die keine Berufsausbildung haben, die Heirat mit Einheimischen verwehrt und einen halbjährlichen Schwangerschaftstest für ausländische Hausangestellte vorschreibt.

In Malaysia ist jede ausländische ArbeiterIn verpflichtet, stets den Paß bei sich zu tragen. Weil aber viele Arbeitgeber den Paß ihrer Beschäftigten einziehen, um zu verhindern, daß sie sich einen anderen Job suchen können, werden jährlich Tausende verhaftet und in Abschiebelagern festgehalten.

Besonders Frauen sind von Übergriffen der Arbeitgeber und Behörden im „Gastland“ bedroht.

Im vergangenen Jahr haben drastische Fälle wie die Erhängung der philippinischen Hausangestellten Flor Concepción in Singapur und die Auspeitschung der 16jährigen Sarah Balabagan in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Schicksal der Arbeitsmigrantinnen gelenkt.

Doch getan hat sich wenig. Eine Konferenz der UNO-Expertengruppe über „Gewalt gegen Arbeitsmigrantinnen“ hat Anfang Juni festgestellt, daß die Gewalt gegen die ausländischen Arbeiterinnen in vielen Ländern „alarmierende Ausmaße“ angenommen hat, wie die Leiterin des UNO- Treffens, Daiwa Stasiulis, sagte. Vor allem in Hongkong, Singapur und den Golfstaaten werden die Frauen mißhandelt.

Helena, die einen alten, groben Mann geheiratet hat, um sich die Aufenthaltsberechtigung in Hongkong zu „verdienen“, hat schließlich doch noch Glück. Der Mann überlebt, sie kann sich von ihm trennen, selbständig Arbeit suchen und ihrer Familie weiterhin Geld aus Hongkong schicken. Jutta Lietsch