■ Nachschlag: Mit Sechsmonatsbauch und obszönen Witzen: Desiree Nick im Studio des Renaissance-Theaters
Tradition verpflichtet: „Keine Party, auf der meine Mutter nicht ihren Dammschnitt vorgeführt hätte!“ Da will Désirée Nick nicht zurückstehen. In ihrer neuen Show „Was bleibt, ist die Schande“ präsentiert sich die blonde Diva mit Sechsmonatsbauch. Per Handspiegel stellt sie eine besorgniserregende Autodiagnose: „Der Mutterkuchen hat sich schon gesenkt!“ Da werden die anderen Transen aber neidisch sein. Und Inge Meysel erst, „die olle Trockendattel!“. Das ist noch eine der milderen Invektiven, denen die Mutter der Nation in dieser Show ausgesetzt ist. An der Pausenbar schüttelt ein älterer Zuschauer ratlos den Kopf: „Wenn ich Inge Meysel wär', ich würd' sie verklagen!“ Désirées Auftritt im Studio des Renaissance- Theaters, ein Experiment mit dem bürgerlichen Theaterclub-Publikum, verläuft überraschend reibungslos.
Friedlich lassen sich die Zuschauer auch die gröbsten Beleidigungen der Diva gefallen, die – anders als die meisten Performer – äußerst hartnäckig nachfragt: „Würden Sie diesen Mann noch mal heiraten? Ja? Ist er denn auch treu? Wie, das ist Ihnen egal?! Waren Sie auf der Waldorfschule oder was?“ Und so weiter. Mit Publikumsbeschimpfungen kann man heute halt niemanden mehr aus dem Theater treiben. Eventuell aufgestaute Haßgefühle baut Pianist Gert Thumser ab, wenn er singend verrät, daß Désirée in Wahrheit unter der vielen Schminke „runzlig und ledergelb und schmierig wie ein Schwein“ sowie mit Schanker und weißem Fluß behaftet sei.
Désirée Nick ist ihrer speziellen Mischung aus selbstironischem Stargehabe, Kodderschnauze und obszönem Witz seit ihrer letzten Show von 1994, „Hollywud, ick komme“, treu geblieben. Das ist inzwischen natürlich nicht mehr ganz neu, macht aber immer noch viel Freude. Nur ihr greller Gesang schlägt auf die Ohren. „I've got you under my skin“ singt sie ihren Bauch an und trägt eilig neuen Lippenstift auf: „Wenn das Make-up nicht sitzt, sing' ich noch schlechter!“ Aber auch das geht vorbei. Und zur Belohnung fürs Zuhören gibt es jede Menge klasse Tips für alle Lebensbereiche. Zum Beispiel, wie man eine festliche Tafel deckt: „Rechts Messer und Gabel, links die Dildos.“ Miriam Hoffmeyer
Désirée Nick: „Was bleibt, ist die Schande“, noch bis Sonntag und von 12. bis 15. Juni, jeweils 20 Uhr im Studio des Renaissance-Theaters, Knesebeckstraße 3, Charlottenburg
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