Durchs Dröhnland
: Hemmungslos retro und auch noch hochmodern

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

John Peel liebt sie, Greil Marcus führt sie in seinen Top Ten. F.S.K. sind immer noch der einzige interessante Bandexport, den München je hervorgebracht hat. Seitenlange Abhandlungen sind geschrieben worden, ob F.S.K. nun die deutschen Wurzeln in den amerikanischen Volksmusiken suchen oder umgekehrt, ob sie irgendwas dekonstruieren oder authentizieren. Ihre letzte Veröffentlichung beginnen sie mit einem elektronischen Pluckerbeat, aber ganz schnell sind wir wieder bei den Basics. Ein Spiel mit den Genres, ein Herausarbeiten der Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Man muß kein Intellektueller sein, um es schön zu finden.

Heute, 23 Uhr, Roter Salon, Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz

Sie kamen aus Leipzig, nun liegt ihr Probekeller Wand an Wand mit dem Bunker. Dubone verabschiedeten sich zwar nicht vom sächsischen Funk, aber behaupten inzwischen, von Techno beeinflußt zu sein. Hört man das? Nun ja. Bei Odd Gallery hört man es. Die vier Dänen kommen eigentlich vom Rock, aber haben sich ein paar hübsche technische Geräte zugelegt, die ihren Rockstomp nun mit allerlei Flirren, Puckern und Zischen aufmotzen.

Heute, 23 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56

Tod und Mordschlag fusseln am Crossover zwischen den guten alten punkenden Zeiten, Folk als freundlicher Alternative und Ska. Die Kreuzberger wissen sicher, wie man damit einen Saal zum Schunkeln kriegt, aber die rohe Kraft geht zugunsten blöder Witze wie dem Ansingen von Werbejingles verloren. Zugute halten muß man ihnen allerdings, daß ihren Texten eine gewisse Poetik eignet.

Heute, 21 Uhr, Thommy-Weißbecker-Haus, Wilhelmstraße 9

Nett vorwärts drückend reihen sich The Marshes ins seit Rancid oder Green Day anschwellende Punkrockfußvolk ein. Das macht den Melodypunk des Trios aus Massachussetts zwar ziemlich austauschbar, zum Kopf-gegendie-Wand-Knallen reicht es immer noch. Ab und an kann man auch die Faust ballen und ein paar Zeilen mitbellen.

Heute, 22 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41 und am 9. 7., 22 Uhr, Lindenpark, Stahnsdorfer Straße 76–78, Potsdam

Ein hübsches Konzept haben sie im Tacheles geschrieben zu ihrer „Wahrnehmungsschule“. Bis Ende Dezember wird es jeweils einmal im Monat eine „Lektion“ geben, in der sich „Form als sinnlich nachvollziehbare anschauliche Erscheinung realisieren muß“. Allerdings werden „keine festgelegten stilistischen Vorgaben gemacht“, sondern die Musiker machen halt, was sie wollen. Wo da der Unterschied zu irgendeiner anderen Combo sein möchte? Auch egal, wenn man so Unterstützung von Senatens bekommt.

Die erste Lektion erteilt Mike Svoboda, der inzwischen auf allem bläst, was sich nicht wehrt. Er wird ins Alphorn stoßen und dabei von Fred Frith unterstützt werden, den sich Svoboda als Gast „gewünscht“ hat. Der wird dann wohl einige von den Löchern stopfen, die Svoboda auf seinem „The Complete Alphorn“ gelassen hat. Dabei sind auch noch A Public Affair, die elektronische Musik improvisieren wollen werden.

Morgen, 22 Uhr, Tacheles

Wer wagt es, über einem flott dahintuckernden Disco-Beat Zeilen wie „Ich les ein Buch von Goethe und spiel auf meiner Flöte“ zu singen? Richtig: Andreas Dorau. Auf seiner neuen Tour wird es viel Neues zu entdecken geben. Da das Ex-NdW-Wunderkind erst im August seine neue Platte veröffentlichen wird, müssen die neuen Kinderlieder erst mal auf ihre Tanzfestigkeit geprüft werden.

Am 10. 6., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz

Wer den Werbemaßnahmen glaubt, Rocket from the Crypt seien etwa Punkrock, der sollte mal auf die mächtigen Koteletten achten. Und auf die zumindest angedeuteten Tollen. Und auf Songs, die aus Springsteens Stomp-Phase zu kommen scheinen. Und natürlich auf den Namen, denn der erinnert an Psychobilly. Daß die Bandmitglieder Pseudonyme tragen wie Apollo 9, J.C. 2000, Atom oder Petey X verweist hinwieder auf Glam-Rock. Und irgendwie stimmt alles ein wenig und dann doch wieder nicht und das noch mit Bläsern.

Außerdem verehren sie Phil Spector und nahmen eine Platte in einem Originalnachbau seines Studios auf. Das Sextett aus San Diego ist hemmungslos retro und weil die Zeitläufe es so wollen, auch noch hochmodern. Eben das, worauf sich Teds und Holzfällerhemden einigen können. Und schlußendlich ist es einfach Rock ‘n‘ Roll, und ich mag ihn.

Am 10. 6., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Wo wir gerade beim R 'n‘ R sind: The Blazers spielen die aktuelle Version des Tex-Mex, nachdem sich Los Lobos verdünnisiert haben. Das obskur verzögerte Zucken lateinamerikanischer Rhythmen läßt die Blazers zwar manchmal arg gemütlich erscheinen, rettet ihren Hängerrock aber vor der Hausbackenheit. Früher mal sollen sie nicht einmal vor mexikanischem Schmalzpop zurückgeschreckt sein. Man kann nur hoffen, daß sie diese Wurzeln nicht völlig gekappt haben.

Mit Loup Garou und Doc Thomas, am 11. 6., 21 Uhr, Huxleys Junior, Hasenheide 108–114

Die nächste große weiße Hoffnung aus Britland heißt Ash. Verkauft werden sie als Punk-Pop, was auf einen Markt zielt, der dem nordirischen Trio nicht zusteht. Wenn schon, ist es der Versuch, englisches Lamentieren mit dem fröhlich rollenden Grungekrach zu verbinden. Das gelingt ohne Zweifel, ist extrem eingängig, überaus massenkompatibel und ziemlich langweilig.

Am 11. 6., 20.30 Uhr, Loft

Daß man sich in den obertristen Fußgängerzonen von Bad Segeberg nicht nur mit Karl May auskennt, sondern auch weiß, wie man einen knorke ratternden Dark Rock hinbekommt, beweisen Ghosts of Dawn mit ein bißchen Nebel, einer Portion Mystik in den Texten und den einschlägigen stimmungsvollen Harmoniewechseln.

Am 13. 6., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei Thomas Winkler