Die SPD erspart sich Überraschungen

Auf dem SPD-Landesparteitag am 15/16. Juni wird der Vorsitzende Detlef Dzembritzki wiedergewählt. Der umstrittene Parteilinke Benneter bewirbt sich für einen der Stellvertreterposten  ■ Von Severin Weiland

Detlef Dzembritzki ist ein weitgehend unbekannter Mann. „Fragen Sie doch mal die Leute auf der Straße, ob sie ihn kennen“, spottete jüngst ein ehemaliges Senatsmitglied über den SPD-Landesvorsitzenden. Publikumswirksame Auftritte und pointierte Formulierungen, wie sie von den Medien erwartet werden, sind seine Sache nicht. Und doch wird Dzembritzki, der einst Reinickendorfer Bezirksbürgermeister war, auf dem Parteitag am 15/16. Juni erneut zum Landesvorsitzenden gewählt werden. Nur kurzzeitig schien es, als müßte er mit einer Gegenkandidatur rechnen.

Doch Klaus-Uwe Benneter, dessen Tage als Landeskassierer gezählt sind und der sich nun für einen der vier Stellvertreterposten bewirbt, lehnte den Vorschlag des Kreisverbandes Charlottenburg ab, ins Rennen zu gehen. Aus gutem Grund. Denn Benneter, der in den siebziger Jahren als marxistisch geschulter Juso-Bundesvorsitzender aus der Partei flog und nach dem Abgang von Helmut Schmidt wieder aufgenommen wurde, gilt vielen noch immer als unsicherer Kantonist. Nicht zuletzt sein Plädoyer für eine geringere Rückführung der Nettoneuverschuldung brachte ihn, wie so oft, in Gegensatz zur Mehrheit des Landesvorstands.

So wird auf dem Parteitag nur das Wahlergebnis von Interesse sein. An Hausmacht mangelt es Dzembritzki nicht. Bei den kürzlich erfolgten Wahlen zu den Kreisvorständen konnte er in Reinickendorf einen Punktsieg erringen: Thomas Gaudszun, der mit Benneter zum linken Flügel gezählt wird, wurde als Kreisvorsitzender von Reinhard Ross, Abgeordneter und Gesundheitsexperte, abgelöst. Ein Mann, auf den sich Dzembritzki verlassen kann.

Der Unterstützung seines Kreisverbandes, des größten innerhalb der Partei, ist sich der bisherige und neue Landesvorsitzende daher sicher. Dzembritzkis Stärke, sagt der Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung, liege „im internen Bereich“. Er sei eine Person, die „integrieren kann“. Ein Zauberwort bei der SPD. Wie keine andere Partei in Berlin verschliß sie ihre Spitzenkräfte – zuletzt Walter Momper und Ditmar Staffelt. Dzembritzki gilt, wie bei seiner Wahl vor zwei Jahren, als Kompromißkandidat. Ein Mann, der nicht auffällt, weder im guten noch im schlechten.

Die eigentliche spannende Frage ist die künftige Zusammensetzung des restlichen Landesvorstandes. Bei der Wahl der Stellvertreterposten, für die sich drei Männer und drei Frauen bewerben, wird erstmals streng das Quotenprinzip angewandt. Zwei der vier zu vergebenen Posten sind den Frauen vorbehalten. Antreten werden Arbeitssenatorin Christine Bergmann, Gerlinde Schermer und Monika Buttgereit, die alle drei dem jetzigen Vorstand als Stellvertrerinnen angehören. Bei den Männern wird wohl Hermann Borghorst wiedergewählt werden. Denn gegen den 49jährigen, der zum rechten Flügel gehört, treten mit Benneter und dem Kreuzberger Andreas Wehr gleich zwei Linke an. Des Proporzes willen wird wohl nur einer der beiden den Sprung hinter Dzembritzkis Rücken schaffen.

Als Geldverwalterin der 24.000 Mitglieder starken Partei wird Justizsenatorin Lore Maria Peschel- Gutzeit auf Benneter folgen. Einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung wiederum wird sich für seine Wiederwahl einem alten Momper-Vertrauten stellen müssen, Joachim Günther. Dieser gilt aber als Außenseiter.

Zentrales Thema des Parteitages dürfte die Finanzpolitik des Senats sein. Den Frust der Basis über den Sparkurs könnte ein Mann wie Benneter kanalisieren. Seine Position, so sagt er selbstbewußt, „gewinnt an Zuspruch“. Mit seinen Vorstellungen drang er allerdings jüngst im Geschäftsführenden Landesvorstand nicht durch. Die Beschlußempfehlung des Gremiums für den Landesparteitag hält sich an jene Linie, die der Fraktionsvorsitzende Klaus Böger mit Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing verfolgt: Stellenüberhänge müßten abgebaut, Sachausgaben verringert, Investitionen reduziert, die Nettoneuverschuldung gesenkt, Steuereinahmen erhöht und Landesvermögen „in begrenztem Umfang“ verkauft werden.

Benneters Forderung nach einer antizyklischen Steuerung der öffentlichen Hand, die die Rezession nicht noch durch Personalabbau verstärken dürfe, wurde hingegen in einen anderen Antrag verbannt. Der soll, sinnigerweise, dem SPD-Bundesparteitag im Herbst vorgelegt werden. Darin wird nicht Berlin, sondern der Bund in die Pflicht genommen: „Antizyklische Politik“, so heißt es da, „ist Aufgabe der Bundespolitik.“ Diese habe durch eine „bessere Ausstattung“ der Länder und Gemeinden auch für Berlin die Rahmenbedingungen zu schaffen.