Sozialsenatorin streicht 47 Millionen

■ Von 130 Millionen Mark sollen soziale Projekte nur noch 83 Millionen Mark bekommen. Fast alle Wohlfahrtsverbände stimmen dem Vertrag zu. Bündnisgrüne: „Vertrag ist sozial unverantwortlich“

Unter dem Deckmantel der „Planungssicherheit“ will der Senat Zuschüsse für rund 800 Sozialprojekte drastisch kürzen. Statt den für das laufende Jahr vorgesehenen 130 Millionen Mark sollen wegen der dramatischen Haushaltslage nur noch 83 Millionen Mark zur Verfügung gestellt werden. Dies geht aus einem Bericht hervor, den die Senatorin für Gesundheit und Soziales, Beate Hübner (CDU), in der kommenden Woche dem Abgeordnetenhaus vorlegen will.

Von den 83 Millionen Mark will der Senat weiterhin knapp 41 Millionen Mark direkt an Projekte der sozialen Versorgung und der sozialen Arbeit wie etwa an den Telebus, Altenpflege sowie Flüchtlings- und Vertriebenenorganisationen verteilen. Die restlichen 42 Millionen Mark sollen pauschal an die Liga der Wohlfahrtsverbände gehen. Die Liga soll sich bis Ende dieses Monats vertraglich verpflichten, dieses Geld an über 300 Projekte weiterzugeben. Dazu zählen unter anderem 56 Projekte der Obdachlosenhilfe, 99 Projekte der Altenhilfe und 48 Selbsthilfeprojekte. Der Vertrag mit der Liga der Wohlfahrtsverbände ist zunächst bis 1999 befristet.

Während Sozialsenatorin Hübner den Zuwendungsvertrag gestern als „gerecht“ und „sozial“ bezeichnete, kritisierten Bündnis 90/ Die Grünen diesen als „unverantwortlich“. Der sozialpolitische Sprecher Michael Haberkorn forderte bereits letzte Woche die Liga in einem offenen Brief auf, den Vertrag, der einen „wichtigen strukturellen Eingriff in die soziale Versorgungslandschaft darstellt“, in der jetzigen Form nicht zu unterschreiben. Begründung: Der im Vertrag aufgeführte mögliche jährliche Kürzungsbetrag von bis zu 5 Prozent, bezogen auf das Gesamtvolumen, könne dazu führen, daß bis zum Jahr 1999 insgesamt etwa 6,5 Millionen Mark Minderausgaben für soziale Projekte umgesetzt werden können. Außerdem würden sich die Wohlfahrtsverbände dazu verpflichten, selbst diese Kürzungen vorzunehmen. Haberkorn forderte die Verbände auf, sich nicht zum „Vollzugsorgan der Kürzungen des Senats“ zu machen. Bis auf das Diakonische Werk haben alle anderen Vertreter der Liga – die Arbeiterwohlfahrt, der Charitasverband, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, das Deutsche Rote Kreuz und die Jüdische Gemeinde zu Berlin – den Vertrag in der vorliegenden Form bereits paraphiert. Der Geschäftsführer des Diakonischen Werkes, Michael Rischke, lehnte den Vertrag jedoch ab. Der Vorstand wolle „seine Funktion als Interessenverwalter der freien Träger nicht verlieren“.

Die Kritik der Bündnisgrünen richtet sich auch gegen die Besetzung des Kooperationsgremiums, das über die Mittelverwendung entscheiden soll. Darin sind neben je drei Vertretern der Sozialverwaltung und der Wohlfahrtsverbände nur zwei Abgeordnete vertreten. Haberkorn befürchtet, daß die Abgeordneten von den Koalitionsparteien kommen. Barbara Bollwahn