Yilmaz macht Weg für Islamisten frei

■ Minderheitenkoalition in der Türkei nach drei Monaten am Ende: Ministerpräsident Mesut Yilmaz tritt zurück

Istanbul (taz) – Die rechtsbürgerliche Minderheitenkoalition in der Türkei hat nicht einmal drei Monate gehalten: Der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz ist gestern zurückgetreten. Er kam damit einem Mißtrauensantrag der islamistischen Wohlfahrtspartei, der am Samstag zur Abstimmung im Parlament anstand, zuvor.

Die ehemalige Ministerpräsidentin Tansu Çiller von der Partei des rechten Weges, eigentlich Koalitionspartner von Yilmaz, hatte zuvor angekündigt, daß sie das Mißtrauensvotum unterstützen werde. Das bedeutete nach wochenlangem Krach das faktische Ende der Koalition.

Der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel wird heute die Vorsitzenden der im Parlament vertretenen politischen Parteien empfangen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird nun erneut Necmettin Erbakan, dessen islamistische Wohlfahrtspartei die stärkste Fraktion im Parlament stellt, mit der Regierungsbildung beauftragt.

Erbakan, der diesen Auftrag bereits nach den Wahlen im Dezember vergangenen Jahres bekommen hatte, wird sich um eine Koalitionsregierung bemühen. Vor fünf Monaten war dieser Versuch gescheitert. Jetzt wird Erbakan allerdings gestärkt in die Koalitionsverhandlungen gehen; seine Wohlfahrtspartei ist aus den Kommunalwahlen, die am vergangenen Sonntag stattfanden, nochmals erstarkt hervorgegangen, während die bürgerlichen Parteien hohe Stimmeneinbußen zu verzeichnen hatten. Findet Erbakan wiederum keinen Koalitionspartner, wird es Neuwahlen geben.

Die verfeindeten Parteiführer Mesut Yilmaz und Tansu Çiller haben sich im Zuge der kurzlebigen Koalition demontiert. Çiller beschimpfte Yilmaz als „Dreckskerl“, während Yilmaz durch Unterstützung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse gegen die Exministerpräsidentin verhindern wollte, daß sie wie im Koalitionsprotokoll vorgesehen zum Januar 1997 das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt. Yilmaz und Çiller beschuldigten sich gegenseitig der Korruption und der Verwicklung in Schmiergeldaffären. Innerhalb beider Parteien melden sich mittlerweile Abgeordnete zu Wort, die sich der jeweiligen Parteiführer entledigen wollen. Die Spaltung der Rechtskonservativen in zwei verfeindete Parteien wird als Grund für das Erstarken der Islamisten angeführt.

Vor zwei Tagen hat der Vorstand der Mutterlandspartei beschlossen, weder mit der Wohlfahrtspartei zu koalieren noch mit der Partei des rechten Weges, solange Çiller an der Spitze der Partei steht. Angesichts der parlamentarischen Kräfteverhältnisse könnte die Lösung in einer Koalition zwischen Erbakan und Çiller liegen, obwohl Çiller sich noch im Wahlkampf als Garant gegen die „fundamentalistische Gefahr“ präsentierte. Ömer Erzeren