Klang für alle Fälle

■ Im Musikkeller würde selbst ein mexikanischer Regenmacher fündig

Ein ellenlanges Alphorn und eine riesige Klangschale aus Metall füllen das Schaufenster in der Langen Reihe 94. Von der Decke baumeln Dutzende von Trompeten. An der Wand hängen Zither und Ukulele. Aus der Tiefe des Souterrains jault eine E-Gitarre. Für die rhythmische Untermalung sorgt ein Lehrer der Jugendmusikschule, der sich durch die Percussion-Abteilung klackt und scheppert. Er testet den Klang der verschiedenen Schlaghölzer, Rasseln, Trommeln.

Er darf das. „Jeder kann hier alle Instrumente ausprobieren“, sagt Günter Furtenbacher. Seit 1982 betreibt er den Musikkeller in St. Georg – ein Geheimtip für alle, die was von Klängen halten. „Ich lege Wert auf ausgefallene Sounds“, sagt Furtenbacher, und das kann jedeR hören. Da läuft es einem an einem heißen Junitag plötzlich kühl den Rücken runter, wenn der rainmaker ertönt. Das Instrument, armdick und so lang wie ein Besenstiel, überschüttet uns mit einem akustischen Regenschauer. Je nachdem, wie schnell man den ausgehöhlten Kaktus kippt und wendet, ist es mal ein Platzregen, mal tröpfelt es nur. Furtenbacher hat den rainmaker aus Mexiko importiert, wo die Indianer damit Regen beschwören.

In die Tausende gehe die Zahl seiner Instrumente, schätzt der Ladenbesitzer. Er hat Klang-Objekte aus der ganzen Welt auf Lager und spielt selbst – kein Instrument. Oder doch? Da war mal so eine Musik-Session, da hat er sich aus Spaß einen Klappstuhl gegriffen und den rhythmisch in Gang gesetzt. Das Ganze wurde – was er nicht wußte – auf CD aufgezeichnet. Am Klappstuhl: Günter Furtenbacher.

Durch Mund-zu-Mund-Propaganda ist sein Musikkeller inzwischen in ganz Deutschland bekannt. Die Kunden sind überwiegend musikbegeisterte Laien. „Von Profi-Musikern kann ich nicht leben“, sagt Furtenbacher. Aber die kommen trotzdem. Auf ihren Tourneen wohnt die musikalische Prominenz in den großen Hotels rundum – das Atlantik ist nur ein paar Schritte entfernt – und geht im Musikkeller ein und aus. Graham Nash von „Crosby, Stills, Nash and Young“ hat hier eine Gitarre gekauft, Tom Waits kommt vorbei, „immer wenn er in Hamburg ist“. Auch Udo Lindenberg und die „Einstürzenden Neubauten“ gucken hin und wieder rein. Und die Leute vom Schauspielhaus kommen rüber und leihen sich Instrumente für Theaterstücke. Apropos Verleih: „Fast alle Instrumente, die auf Hamburger Litfaßsäulen abgebildet sind, stammen von uns“, erzählt Furtenbacher, der prinzipiell auf Werbung verzichtet. Außerdem zieren Leihstücke aus dem Musikkeller Fernseh-Filme und CD-Cover.

Wütend wird der Klang-Fan, wenn ein Kunde 200 Mark für eine Gitarre zu teuer findet. Denn er hat sich gerade in der modernsten Gitarrenfabrik Europas in Tschechien angeschaut, unter welch staubigen Bedingungen und zu welchen Hungerlöhnen dort die Instrumente gebaut werden. Menschen, die sich lieber alle drei Jahre einen neuen Wagen kaufen, statt mal ein paar hundert Mark für ein Musikinstrument auszugeben – dafür hat Günter Furtenbacher kein Verständnis.

Vera Stadie