„Voll mitten rein in die Windschutzscheibe“

■ Der Kessel verhalf dem Standort Hamburg zu einer etwas anderen Taxiorganisation

“Urplötzlich droschen die Polizisten auf mein Taxi ein. Einer schlug mit seinem Schlagstock voll mitten in die Windschutzscheibe, ein richtiges rundes Loch. Ich konnte das nicht fassen, stieg aus, wollte mich bei einem von den Obermackern beschweren. Das war natürlich ein naiver Fehler. Die haben mich sofort wieder in die Taxe reingeprügelt.“ Für Jens Warnecke, heute 35 und Vorstandsmitglied von das Taxi, ist die Nacht zum 9. Juni 1986 noch heute die intensive Erinnerung an ein „sehr schreckliches Erlebnis“. Ein Erlebnis freilich, daß nicht nur sein Leben veränderte, sondern auch eine mittlerweile 600 Menschen umfassende „ganz andere“ Firma inmitten einer von „reaktionären“ Mittelständlern geprägten Zunft entstehen ließ: „das Taxi“.

Am 8. Juni war Jens Warnecke gerade seit ein paar Wochen Taxifahrer bei „Blitzfunk“, einer ganz normalen Taxiruforganisation, bei der aber vor allem Studenten und Linksbewegte jobbten. Eine „stinknormale Taxifahrerkarriere“, nach schlechtbezahlten Jobs und einem abgebrochenen Germanistik- und Journalistikstudium.

„Am 7. Juni“, erzählt er, „hab ich, wie viele von uns, in Brokdorf demonstriert, am nächsten Tag saß ich in der Taxe – das war ganz normal.“ Die politische Stimmung in der Stadt war angespannt, die Polizei wollte den Protest gegen den Atomstaat schon im Keim ersticken. Gegen Mitternacht trafen sich gut 30 Taxen in der Weidenallee, um „irgendetwas“ zu machen. „Mit einer gehörigen Portion Mut und Naivität“ setzte sich schließlich eine Taxikolonne zum Heiligengeistfeld in Bewegung, die Alarmanlagen eingeschaltet. Ziel war, Solidarität zu zeigen, vielleicht sogar den Kessel zu knacken.

„Als wir gegen Mitternacht plötzlich als Konvoi in Dreierreihe im Neuen Kamp auftauchten, war die Polizei völlig überrascht.“ Auf die Behauptung: „Wir sind bestellt, um die da abzuholen“, ging die Polizei jedoch nicht ein. Verhandlungen über den Abzug begannen. „Als wir auf ein Zeichen zur Abfuhr warteten, war plötzlich überall Polizei. Dann ging es los. Da entlud sich eine ungeheure Anspannung.“ Ein Blitzableiter vielleicht, der den Menschen im Kessel Schlimmeres ersparte.

Das Nachspiel dieser politischen Demonstration: Einige Taxiunternehmer feuerten ihre Fahrer. Der Gedanke, eine eigene Organisation zu gründen, schon lange in der Luft, bekam Gestalt. Bereits am 1. Oktober 1986 nahm das taxi mit 34 Wagen den Betrieb auf. Warnecke: „Damals hat man uns höchstens ein Jahr gegeben.“ Heute fahren 137 Taxen mit dem Regenbogenzeichen, es gibt Kooperationen mit Statt-Auto und Funkkurierdiensten, Sammeltaxiprojekte sind in Vorbereitung.

Mindestens ebenso erfolgreich jedoch war der Kampf der Taxigenossen um das Recht auf politische Meinung: Sie siegten im Schadensersatz-Prozeß mit den Knüppel-Polizisten vom 8. Juni.

Florian Marten