Schiffe geentert, Reeder erpreßt

■ ÖTV: Aktionswoche gegen „Billigflaggen“ erfolgreich

Bei Nacht und Nebel und ohne Tarifvertrag, berichtet Wilhelm Zechner von der Gewerkschaft ÖTV, habe sich das Frachtschiff eines deutschen Reeders Mitte vergangener Woche aus Hamburg verabschiedet – unter der Flagge Antiguas. Gestern sei es in Rotterdam von See aus gestürmt worden. Es war nicht das einzige unter „Billigflagge“ fahrende Schiff, das während der vergangenen „Aktionswoche“ zwecks Abschlusses eines Tarifvertrages von der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) geentert wurde.

In sämtlichen deutschen, niederländischen, belgischen und französischen Seehäfen gingen ÖTV-Gewerkschafter, ITF-Inspektoren, Hafenarbeiter und Seeleute an Bord solcher Schiffe. Die jeweils fünfköpfigen Teams drohten mit verzögerter Abfertigung der Schiffe, sollten die Reeder nicht wenigstens den ITF-Tarifvertrag unterzeichnen. Der garantiert den Seeleuten eine Mindestheuer von 1100 Dollar für die Dauer eines Jahres. Bereits am ersten Aktionstag seien allein in Hamburg 13 ITF-Verträge und mehrere deutsche Tarifverträge abgeschlossen worden, freut man sich bei der ÖTV.

Die Besatzungen der Schiffe, erklärt Zechner, freuten sich nur teilweise über die neuen, weit besseren Tarife. Teilweise reagierten sie mit großer Angst. Insbesondere auf den Philippinen seien früher „schwarze Listen“ über mutmaßliche Meuterer geführt worden. Das Risiko, Repressionen ausgesetzt zu werden, sei heute aber kleiner. „Sie werden ja selbst nicht aktiv, sondern zu ihrem Glück gezwungen.“

Bereits seit den fünfziger Jahren kontrolliert die ITF weltweit die Einhaltung von Tarifverträgen auf Frachtschiffen, so Zechner, zum ersten Mal jedoch in einer international koordinierten und dadurch besonders erfolgreichen Form.

Stefanie Winter