Sehr sensibel schwulenfreundlich

■ Hamburgs Polizei hat plötzlich den „Gewaltkreislauf“ gegen Schwule erkannt und will ihn kostenneutral bekämpfen Von Miguel-Pascal Schaar

Wolfgang K. und sein Freund Martin G. gehen in der Dämmerung händchenhaltend über die Straße. Ein Auto braust heran, die Insassen brüllen: „Ihr schwulen Säue, gleich kriegt ihr was auf die Schnauze!“ Die beiden rennen weg, wie fast 90 Prozent aller Opfer erstatten sie keine Anzeige.

Geht es nach Hamburgs Polizeipräsident Arved Semerak, soll sich zumindest das Verhalten der Opfer ändern. Denn die Mehrheit schweige aus Angst, sich zu outen, aber auch aus Furcht vor Diskriminierung durch Polizeibeamte. Dadurch würden Täter dazu verleitet, Schwule als vermeintlich „leichte Opfer“ zu betrachten. Von den geschätzten 70.000 bis 100.000 im Großraum Hamburg lebenden schwulen und bisexuellen Männern werden jährlich fünf Prozent Opfer von körperlicher Gewalt. „Das bedeutet 3500 Gewalttaten, bei denen fast alle Täter unbehelligt bleiben“, so Semerak. Dieser „Gewaltkreislauf“ müsse „durchbrochen werden“.

Rechtzeitig vor den am nächsten Wochenende beginnenden Feierlichkeiten zum Christopher-Street-Day stellte er gestern eine gemeinsame Initiative der Hamburger Landesvertretung des Schwulenverbandes Deutschland e.V. (SVD) und der Polizei vor. Mit neun „besonders geschulten und sensibilisierten“ BeamtInnen für Opfer „antischwuler Gewalt“ auf den „Brennpunktrevieren“ am Stadtpark, in St. Pauli und St. Georg will die Polizei historisch begründetes Mißtrauen bei den Betroffenen abbauen. „Völlig kostenneutral“, wie sich Semerak beeilte zu erklären. Die Polizisten sollen ihren neuen Auftrag neben ihren sonstigen Aufgaben erledigen, dafür gegebenenfalls entlastet werden.

Durch die Einrichtung eines „schwulen Überfalltelefons“ (

Jahrelang hatten sich schwule Initiativen vergebens um polizeiliches Engagement und besseren Opferschutz bemüht. Der Senat hatte erst im Februar den Antrag um finanzielle Unterstützung für Opferhilfen verworfen.

Deshalb setzt der Polizeipräsident lieber wortreich auf ein billigeres, aber noch zu schaffendes „vertrauensvolles Verhältnis“ zwischen Staatsgewalt und schwuler Bevölkerung: „Nur eine Gesellschaft, in der anderen mit Toleranz und Respekt begegnet wird, in der man einander hilft, kann der Diskriminierung und Gewalt gegen Minderheiten begegnen.“