„Anstöße müssen von außen kommen“

■ Beschäftigungsgesellschaft kritisiert Werft-Manager / Wasserkopf bleibt in Lohn und Brot

Eine verbale Breitseite gegen die Verantwortlichen der Vulkan-Werften hat die Chefin der Vulkan-Beschäftigungsgesellschaft Mypegasus abgeschossen. So mancher in der Vulkan-Chefetage hätte wohl den Ernst der Lage noch nicht begriffen, schimpfte Ulrike Bohnenkamp. „Die verhalten sich so, als ob es in Bremen ein Grundrecht auf Werften gäbe“.

Die 1000 bei Mypegasus kurzarbeitenden Kollegen (600 vom Vulkan in Bremen, 400 von Schichau-Seebeck in Bremerhaven) hätten ein Recht zu erfahren, ob sie jemals auf die Werften zurückkehren könnten. Dafür müßte schnellstens Klarheit über neue Aufträge und das dafür benötigte Personal geschaffen werden. Ansonsten sei der Erfolg der gesamten Auffanglösung gefährdet, weil auch die Mypegasus mit der Personalplanung arg behindert würde.

„Für die Leute wäre eine klare Absage leichter zu verkraften als die dauernde Ungewißheit“, glaubt Bohnenkamp. Die Stimmung auf der Werft sei ohnehin miserabel. „Manchmal traue ich mich da gar nicht mehr hin“. Die Personalabteilungen kommen mit den Abrechnungen der Löhne für die über eine Verleihgesellschaft auf die Werften ausgeliehenen Kurzarbeiter nicht nach. Seit einer Woche warten die Angestellten, die ihr Gehalt stets am Monatsersten bekommen, auf ihr erstes Kurzarbeitergeld. Die Reibungsverluste seien auch nach fünf Wochen Mypegasus erheblich, räumt die Chefin ein.

Es sind aber eher Geschichten wie die folgende, die die Werftarbeiter in Rage versetzen: Am Montag, so wurde gestern berichtet, gingen 60 Leute von der Bordmontage in die Kurzarbeit. Bleiben tut allein die Besatzung des Leitstandes: „Die sitzen dann da alleine rum und werden weiter bezahlt“. Vulkan-Arbeiter bestätigen den Eindruck, daß leitende Angestellte, aber auch Vorarbeiter mit guten Beziehungen zur Gewerkschaft bessere Chancen hätten, auf der Werft zu bleiben. „Da fühlt man echten Haß“, sagt ein kurzarbeitender Betriebsdachdecker.

Ulrike Bohnenkamp befürchtet, daß besonders die dynamischen und gut qualifizierten Beschäftigten dem Vulkan den Rücken kehren. Offenbar haben viele kurzarbeitende Ex-Werftbeschäftigte wenig Lust, noch einmal in den Schiffbau einzusteigen. 75 Prozent der ausgemusterten Kollegen haben auf den Rückmeldebögen ihres neuen „Arbeitgebers“ Mypegasus ihr Verlangen betont, sich beruflich neu zu orientieren. In Vegesack hätten zudem nur 70 Prozent der 600 Befragten überhaupt geantwortet. Für Ulrike Bohnenkamp ein klares Signal für die Verunsicherung über die Zukunft der Werften.

Die Mypegasus hat inzwischen ihre Schäfchen in sechs Gruppen aufgeteilt, die gezielt mit Informationen für neue Arbeitsmöglichkeiten versorgt werden sollen: Facharbeiter, Kaufleute, Hilfskräfte, Technische Angestellte, Führungskräfte und ausländische Arbeiterkräfte. Sie sollen von den bremischen Trägern der Weiterbildung für neue Jobs fitgemacht werden. 50 Vulkanesen seien an einer Existenzgründung interessiert, berichtet Bohnenkamp.

Am 24. Juni beginnen spezielle Crash-Kurse zur Vorbereitung der Selbständigkeit. Vom schiffbautechnischen Ingenieurbüro über Unternehmensberatung, Auto-Werkstätten, Messebau und Gebäudereinigung bis zur Eröffnung eines Altenheims reichen die Geschäftsideen der Ex-Vulkanesen. Außerdem kämen viele Anfragen von Firmen, die Mitarbeitzer auf Zeit von Mypegasus ausleihen wollten. Doch um das Instrument „Zweitarbeitsverhältnis“ in vollem Umfang zu nutzen, müsse erst Klarheit über den Personalbedarf der Werften bestehen.

Ohnehin muß sich die Mypegasus stärker in die industriepolitischen Konzepte einmischen als vorgesehen. So werde man einige nicht zu 100 Prozent ausgelasteten Teile der Werft vorschlagen, die im sogenannten „Outsourcing“ in eigenständige Betriebe umgewandelt werden könnten, sagte Bohnenkamp. Auf den Werften und bei der IG Metall sei das Thema äußerst unbeliebt. „Aber es ist doch klar, daß sich die Fertigungstiefe verringern muß, wenn die Werften produktiver arbeiten sollen“, weiß die gelernte Regionalökonomin. Wenn das Management solche Fragen nicht angehe, müßten die Anstöße halt von außen kommen. „Und zwar ausnahmsweise mal rechtzeitig“. jof