Die Lasten des bewaffneten Kampfes holen Südafrikas ANC ein

■ Verteidigungsminister Modise, einst ANC-Militärchef, will Amnestie von der Wahrheitskommmission

Johannesburg (taz) – Südafrikas Verteidigungsminister Joe Modise (ANC) will Amnestie vor der Wahrheitskommmission beantragen, die während der Apartheid begangene Menschenrechtsverletzungen untersucht. Diese Ankündigung, die Modise am Donnerstag abend in einem TV-Interview machte, ist brisant. Modise, erster schwarzer Verteidigungsminister Südafrikas, ist der erste hochrangige Politiker, der amnestiert werden will. Von 1965 an war er Kommandeur des militärischen Flügels des ANC, Umkhonto weSizwe (Speer der Nation), und koordinierte vom ANC-Hauptquartier in Sambias Hauptstadt Lusaka aus den bewaffneten Widerstand in Südafrika.

„Ich bedauere die unschuldigen Toten, die bei Operationen in Südafrika ums Leben gekommmen sind“, erklärte Modise, „aber nicht den Befreiungskampf.“ Der sei notwendig gewesen, um die Apartheid zu überwinden.

In Anhörungen von Opfern und Hinterbliebenen vor der Wahrheitskommission in den letzten Wochen war Umkhonto weSizwe (MK) schwer belastet worden. Mehrere Mütter von jugendlichen Freiheitskämpfern schilderten, wie ihre Söhne in den Exillagern des ANC verschwanden. Wer dort in den Verdacht geriet, ein Verräter zu sein, wurde gefoltert und notfalls umgebracht. Zudem hatten die Hinterbliebenen von Opfern eines ANC-Bombenattentats in Durban 1986 ausgesagt. Der Täter, Robert McBride, verbüßte eine Gefängnisstrafe, erhielt 1992 jedoch Amnestie und ist heute Vize- Hauptabteilungsleiter im Außenministerium. McBrides MK-Spezialeinheit war direkt Modise unterstellt. Namen von Befehlshabern wollte er aber nicht nennen. Der Generalstaatsanwalt von KwaZulu/Natal, Tim McNally, der auch den Prozeß gegen Exverteidigungsminister Magnus Malan eingeleitet hat, erklärte jedoch, er werde die Ermittlungen erneut aufnehmen, um die Befehlshaber ausfindig zu machen. Um einem möglichen Gerichtsverfahren zu entgehen, blieb Modise daraufhin nur der Ausweg, Amnestie zu beantragen. Unter der Bedingung, daß er gesteht und daß es sich um politische Verbrechen handelt, geht er dann staffrei aus.

Im ANC indessen sorgte Modises Fernsehauftritt für Aufregung. Parteisprecher Ronnie Mamoepa erklärte sofort, Modise werde keine individuelle Amnestie beantragen: „In Fällen von gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die Resultat des legitimen Befreiungskampfes waren, übernimmt die ANC-Führung kollektiv die Verantwortung.“ Kordula Doerfler