Was die SPD täte. Und was nicht.

■ Wie eine Politikerin das „Forum Einwanderung“ besucht und es parteipolitisch korrekt dominiert

Wie sie so dasitzt in einem Trägerkleid mit Zipfelsaum – zielstrebig nach vorn gebeugt und von einer Ausstrahlung, die gemeinhin „proper“ genannt wird – erinnert Cornelie Sonntag-Wolgast (MdB, SPD) entfernt an Wencke Myrrhe (Schlagersängerin, Ausländerin). Ein leises Loblied wird die Politikerin singen auf die Migrationspolitik der SPD, erklären wird sie jede Menge guter Absichten. Und sie wird merken an diesem Samstag, daß Zielstrebigkeit das mindeste ist, was die Besucherinnen und Besucher von ihr erwarten. Auf Einladung der Altonaer SPD waren sie zum „Forum Einwanderung und Einbürgerung“ im Rathaus ebenda erschienen.

Migrantinnen und Migranten türkischer, griechischer, portugiesischer und iranischer Herkunft, mit und ohne deutschen Paß, umrahmen die Bundestagsabgeordnete auf dem Podium. Leyla Onur, Parteischwester im Bundestagsamte, läßt sich entschuldigen – Wahlkreisverpflichtungen. „Aber ich soll ganz herzlich grüßen“, sagt Sonntag-Wolgast. Und, als sie selbst später und vorzeitig in ihren Wahlkreis Dithmarschen abrauscht, sagt sie: „Ich freue mich sehr, daß ich hier sein konnte.“ Zwischen Gruß und Abschied erklärt sie, was die SPD für Migranten täte, wenn man sie ließe. Und was nicht.

Ein Antrag ihrer Partei auf eine „erleichterte Einbürgerung“, bedauert sie, werde seit langem von der Koalition blockiert. Ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung sei darin vorgesehen, nach acht Jahren Aufenthalt hierzulande. Bereits nach fünf Jahren, ginge es sozialdemokratisch zu, wäre diesbezüglich eine „Ermessensentscheidung“ der Ausländerbehörden drin. Eine doppelte Staatsbürgerschaft sei „hinnehmbar“. Und Kinder würden zukünftig direkt in die deutsche Staatsbürgerschaft hineingeboren, abzulehnen durch die Eltern binnen eines Jahres.

So könnte es also längst sein: Meral Cerci – geboren 1971 in Hilden, Staatsangehörigkeit deutsch – lächelt von einem plakativen, überdimensionalen Personalausweis über den Kopf von Sonntag-Wolgast hinweg in den Ratssaal. „Gleiche Rechte, gleiche Pflichten für Meral Cerci“, fordert die SPD. Pflichten, daran lassen die Besucherinnen und Besucher des Forums keinen Zweifel, gibt es jetzt schon – gleiche und durch das Ausländergesetz viele zusätzliche.

Nach 20 Jahren in Deutschland, berichtet eine Ghanaerin, werde sie noch immer gefragt, wann sie denn „zurück“ wolle. Gegen Rassismus, gegen ein erstauntes Gegenüberstellen von Hautfarbe und Nationalität helfe ein Ausweis nicht. Der deutsche Paß, beharrt Sonntag-Wolgast, könne viel bewirken für das Selbstbewußtsein der Migranten. Sie könnten damit ihren Mitmenschen zeigen: Hier, ich habe die gleichen Rechte wie du. Was wiederum nichts helfe, so die Ghanaerin, da Rassismus nicht im Alltag, sondern durch Politik entstehe. „Sie suchen wieder Sündenböcke.“ Und eine Frau in der selben Sitzreihe ergänzt: „Für etwas, daß sie selbst falsch gemacht haben.“ Das quakige Kleinkind auf ihrem Schoß – Haar und Haut dunkler als bei der Mutter – ist ganz still geworden. Die Mutter tätschelt ihm energisch den Arm, als könne sie damit auch sich selbst beruhigen.

Zu sehr bestimmt von rechtlichen Problemen werde Migration und auch diese Veranstaltung, moniert nicht nur ein Besucher. Doch gänzlich verwurzelt im eventuell Machbaren referiert Sonntag-Wolgast SPD-Reformvorschläge für das Ausländergesetz. Über die Forderung einer Besucherin, dieses Sondergesetz gänzlich abzuschaffen, schwappt allgemeines Gelächter, naja, schön wär's. Einen Traum allerdings erlaubt sich der SPD-Kreisvorsitzende Olaf Scholz: Die Staatsbürgerschaft solle etwas sein, zu dem ein Staat einlädt – statt diejenigen abzuwehren, die darum kämpfen. Sonntag-Wolgast ist „natürlich, sofort“ auch dafür. Als sie den Saal verläßt in Richtung Dithmarschen, schenkt sie dem kleinen Kind ein Lächeln, ein paar Worte. Der Begriff „niedlich“ kommt auch darin vor. Stefanie Winter