Wellen machen glücklich

■ Neu im Kino: „Blue Juice“ / Wie gehen Quarterlife-Crisis und Brandungs-Surfen zusammen? In einer Komödie aus Cornwall

„Wer stets hinter einem Traum herläuft, könnte sein eigenes Happy-End verpassen.“ Ein ernstgemeinter Rat an JC, den Surfkönig von Mousehole, einem Mauseloch im britischen Cornwall. JC, 30, hat schon die Tickets in der Tasche, um mit seiner Freundin Chloe um die Welt zu reisen; doch immer kommen ihm seine Freunde in die Quere, mit denen er auf Tour geht, auf daß sie gemeinsam träumen von den wildesten Wellen und den gefährlichsten Riffs ...

Die beiden britischen Jung-Regisseure Carl Prechezer und Peter Salmi haben sich mit „Blue Juice“, ihrem ersten Langfilm, an ein Genre gewagt, das gnadenlos in einer Camel-Trophy plus attraktive Alibi-Frau hätte baden gehen können. Respekt: An den Klippen seichter kalifornischer beach and fun-Produktionen sind die Regisseure ziemlich elegant vorbeigesurft. Und anstatt die Extremsport-Gemeinde mit breitschultrigen Brandungs-Surfern zu bedienen, wollten die Filmemacher ein bißchen mehr: nämlich in die Beziehungsstrudel eintauchen, die sich am Ende einer Jugend in Cornwall so auftun. „Wie ist das so, am hintersten Ende von England zu leben?“ fragt der lokale Dudelsender. Antwort: „Das hinterste Ende? Das letzte!“

Mit einem ganzen Haufen netter Bild-Ideen und Dialoge, die auch in der deutschen Synchronisation noch Spaß machen, kommt „Blue Juice“ schnell in die Gänge. Lockt mit malerischen Bildern des kleinen cornischen Hafennests, hart geschnitten mit imposanten Aufnahmen meterhoher Brecher (aufgenommen übrigens nicht vor Ort, sondern in Lanzarote).

Prechezer und Salmi bringen es tatsächlich fertig, uns für JC (Sean Pertwee), Chloe (Catherine Zeta Jones), Dean, Josh und Terry zu interessieren – und ihnen ihre existententiellen Nöte über weite Strecken des Films abzukaufen. Und daß, obwohl JCs Freunde aus ganz geläufigen Versatzstücken zusammengebastelt sind. Der eine Jungsche ist ein kleiner Londoner Drogendealer, der Boulevardblättern Sensationsstories andreht, die er erst noch stattfinden lassen muß. Josh wird während des Films geläutert: vom arroganten Techno-Producer zum sensiblen Musik-Produzenten, der jeden einzelnen seiner Samples bereut, mit denen er ehrwürdige Rhythm'n'Blues-Klassiker verhackstückt hat. Und Terry ist der vollfette Langweiler, der schon mit 20 von der Pensionierung träumt. Und die schöne Chloe ist nicht nur schön, sondern wird in unschöner Regelmäßigkeit von JC betrogen: Ist Surfen der bessere Sex?

Einen Ausweg aus den schiefen Lebenslagen, in die die Regisseure ihre Figuren schicken, bieten sie freilich nicht an. Die beiden, auch für das Drehbuch verantwortlich, wissen, was sie können und was nicht. Statt psychologischer Dichte und Konsistenz haben sie beim Finale den Weg des geringsten Widerstandes gewählt und damit alle in die Wüste geschickt, die wissen wollten, was aus JC, Chloe und seinen Freunden eigentlich werden soll. Denn am Schluß ist „Blue Juice“ ein Märchen. In dem alle im siebten Himmel schweben. Buchstäblich auch der meditierende Dorfpoet in seinem Yoga-Sitz, dem natürlich allerhand kluge Sprüche für den täglichen Bedarf, siehe oben, in den Mund gelegt wurden.

Doch sehen wir es einmal so: die Wirkung von Märchen im Kino ist nicht zu verachten.

Alexander Musik

Täglich im Atlantis