piwik no script img

■ VorschlagMetropolenreflexionen: „Havalim III“ von der tolada dance company

Lustig sei sein Stück, unsinnig und albern, schreibt Joseph Tmim im Programmheft. Aber auch wenn ab und an gelacht wird – so richtig wohl fühlt sich der israelische Choreograph weniger an der Spaßmacher-, als an der Alptraumfront. Und entsprechend finster geht es zu in dem letzten Stück der Trilogie über das babylonische Zeitalter, „Havalim III“, das Tmim mit seiner (personell nahezu völlig ausgewechselten) „toladá dance company“ im Theater am Halleschen Ufer in Szene gesetzt hat. Nach seinem eher mißratenen letzten Stück hat Tmim für „Havalim III“ noch einmal einen genaueren Blick auf moderne Großstadtriten geworfen. Wenn auch der Umgang ein verspielter ist – optimistisch sind Tmims Metropolenreflexionen sicher nicht.

Auf ein Bühnenbild wurde weitgehend verzichtet. Die Tänzer bauen Landschaften aus Matratzen, die, unterstützt durch die Lichtregie Fred Pommerehns, das etwa sechs mal sechs Meter große weiße Quadrat in der Bühnenmitte mal als Disco-Tanzfläche, mal als Gefängnishof erscheinen lassen: ein Ort für wilde körperliche Entladungen, für irres Gelächter, für Ausbrüche, die keine sind. Die Zeiten, als man sozialromantisch von Stadtindianern und ähnlichem Aussteigertum träumte, sind vorbei. Es sieht aus, als hätten die Tänzer ihre Szeneklamotten aus dem heimischen Kleiderschrank mitgebracht (Kostüme: Stefanie Seibold). Ihre Ausbruchsversuche sind wild und wütend, spielen aber gleichzeitig mit der Lust an der Selbstinszenierung. Den einen Moment reden sie noch von neufundländischen Büschelohräffchen, die vom Aussterben bedroht sind, im nächsten Moment verwandeln sie sich selbst in welche: Der Menschenzoo und der Tierzoo sind nicht mehr zu unterscheiden.

Die Tänzer tanzen somnambul, völlig hingegeben, in merkwürdigen, zugleich schönen und deformierten Bewegungen. Vor allem in den Gruppentableaus ist eine beeindruckende Symbiose von Struktur und Chaos gelungen. Die einzelnen Tänzer kreiseln so sehr um sich selbst, daß man kaum merkt, wie sie die Bewegungen anderer aufnehmen und in all dem wilden Durcheinander gleichzeitig eine immer wieder neue Ordnung herstellen. „Man bleibt mit seinem Leben beschäftigt; um zu vergessen und nicht zu sterben“, schreibt Tmim im Programmheft. Pathetische Sätze, aber wenn man das Stück sieht, werden sie ganz einfach. Es beschreibt die Art, wie die Tänzer tanzen – hochkonzentriert und entrückt zugleich, scheinen sie nicht zu wissen, was sie tun. Das einzig Wichtige ist, daß es immer weitergeht. Und genau so endet das Stück dann auch: Das Licht geht aus, und die Tänzer tanzen weiter. Michaela Schlagenwerth

10., 11., 12. Juni, jeweils um 21 Uhr im Theater am Halleschen Ufer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen