Im proletarischen Alltag

■ Zum 95. Geburtstag erinnert die Willi-Bredel-Gesellschaft mit einer Gedenkwoche an den Schriftsteller und Antifaschisten

Metallarbeiter, Redakteur, Schriftsteller – der Hamburger Willi Bredel hat nicht nur seine Erfahrungen an der Werkbank in Literatur umgesetzt. Mit dem dokumentarischen Roman Die Prüfung schuf er auch den ersten Erlebnisbericht aus einem deutschen Konzentrationslager. Am 2. Mai wäre der Arbeiterschriftsteller 95 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlaß veranstaltet die Willi-Bredel-Gesellschaft eine Gedenkwoche.

Am 1. März 1933, einen Tag nach dem Reichstagsbrand, erhob Bredel auf einer NSDAP-Veranstaltung offen das Wort gegen einen Nazi-Redner. Er wurde verhaftet und als „Schutzhäftling“ in das Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel gebracht. Im September übernahmen SA und SS die Leitung und Bewachung formell. Aus dem Gefängnis wurde ein Konzentrationslager, im Volksmund „Kolafu“ genannt. Für den Kommunisten Bredel begannen nun die nach Selbsteinschätzung „furchtbarsten Monate“: sechs Wochen Einzel- und Dunkelhaft und immer wieder Auspeitschungen. 32 Mitgefangene wurden in jener Zeit von SS-Leuten hingerichtet, totgeprügelt oder in den Selbstmord getrieben.

„Im Konzentrationslager, in Wochen und Monaten der Einzelhaft, konzipiert und im Kopf geschrieben, gelangte das Buch als geistige Konterbande mit hinaus in die Freiheit“, schrieb Bredel später im Vorwort zur Prüfung. Der Roman erschien 1935 im Exil, wurde in 22 Sprachen übersetzt und erreichte bis heute eine Millionen-Auflage.

Willi Bredel, als Sohn eines Zigarrendrehers in der Hansestadt geboren, wurde 1919 Mitglied der KPD und erhielt vier Jahre später die erste Gefängnisstrafe, weil er sich am Hamburger Oktoberaufstand beteiligt hatte. Nachdem er 1928 arbeitslos geworden war, berief ihn die KPD in die Redaktion der Hamburger Volkszeitung. Dort entdeckte er sein literarisches Talent. Während der Festungshaft in Bergedorf (1930-32) schrieb er über den proletarischen Alltag in der „Maschinenfabrik Nagel & Kaemp“ in Winterhude. Heute beherbergen deren Hallen die „Kulturfabrik Kampnagel“.

Nach seiner Flucht aus Deutschland 1934 engagierte er sich im Spanischen Bürgerkrieg in den Internationalen Brigaden, im Zweiten Weltkrieg kämpfte er in der Roten Armee. Nach 1945 wandte er sich wieder der Literatur zu, gab die Zeitschrift Heute und Morgen heraus und arbeitete als Chefredakteur der Zeitschrift Neue Literatur.

Heute hält Thomas Tode im Rahmen der Gedenkwoche einen Vortrag mit dem Thema: „Er holte Eisenstein, Pudowkin und Vertow nach Hamburg...“. Am Freitag, 20 Uhr, erinnern Zeitzeugen an Willi Bredel, unter anderem sein Jugendfreund Otto Gröllmann (94) und seine Tochter Anna-Maj Kraus.

Volker Stahl

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