■ Kommentar
: Der späte Wagner

Kaum wird gemunkelt, Bausenator Wagner werde eine weitere Legislaturperiode politisch wohl nicht überstehen, da meldet sich schon ein würdiger Nachfolger: Leonhard Hajen, derzeit UKE-gestreßter Wissenschaftssenator. Dessen architektonische Vision nämlich ist die Formvollendung des frühen Wagnerschen Werkes.

Kunst, so hat er erkannt, ist ein spärlicher Wert, bestenfalls die Kür. Ein solides Haus aber braucht ein ordentliches Fundament und stabile Wände, damit es nicht beim ersten Herbststurm zusammenkracht. Das läßt sich in der Ausbildung billig vermitteln und – im Gegensatz zu Kunst – nachprüfen. Angehende Architekten sollen erstmal Statik lernen, bevor sie wichtigtuerisch phantasieren, welcher Baustil, welche Gebäudehöhe, welches Material handwerklich, aber eben auch stadtplanerisch, soziologisch, ökologisch, ästhetisch wünschenswert wäre.

Wie immer, wenn sie spart, rechnet die Stadt die sozialen Folgekosten nicht mit ein. Denkender Nachwuchs und unabhängige Architekten werden gelangweilt abwandern, der Architektursommer künftig Fertighaus-Kreationen prämieren, städtische Quartiere zu Wohn-Ghettos ohne Charme, Witz, Kreativität verkommen.

Eigentlich könnte die Architektur-Ausbildung an der Hochschule für bildende Künste – auf diese Weise reduziert – ganz abgeschafft werden. Aber das trauen sich der Senator und die Neider Adrienne Goehlers dann doch nicht: Niemand soll glauben, sie wollten der eigenwilligen Hochschul-Präsidentin noch eins auswischen, nachdem bisherige Intrigen zur Absetzung Goehlers scheiterten.

Heike Haarhoff