Hauptschulabschlüsse in Gefahr

■ Kürzungen an Volkshochschulen erschweren es ausländischen Jugendlichen, den Hauptschulabschluß nachzumachen. Die LehrerInnen befürchten eine höhere Abbrecherquote und schlechtere Zeugnisse

Die Möglichkeit für ausländische SchülerInnen, an den Schöneberger und Kreuzberger Volkshochschulen den Hauptschulabschluß zu machen, ist durch Sparmaßnahmen gefährdet. Mit Beginn des Schuljahres im Herbst sollen 25 Prozent der Lehrerstunden gestrichen werden. Dies entspricht einer Kürzung von acht auf sechs Lehrerstellen. Für viele der ausländischen Jugendlichen, die an der VHS ihren Hauptschulabschluß machen wollen, ist dies die einzige Möglichkeit, Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu bekommen.

Die LehrerInnen befürchten, daß die Kürzungen zu einer Erhöhung der Abbrecherquote führen werden. „Wenn Integrationspolitik nicht nur eine Alibifunktion erfüllen soll, müssen die Kürzungen zurückgenommen werden“, erklärte gestern die Schöneberger Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Ziemer (Bündnisgrüne).

An den Schöneberger Volkshochschulen wurden 1981 die „Lehrgänge zum nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses für ausländische Jugendliche“ ins Leben gerufen. Sie richten sich an Jugendliche nichtdeutscher Herkunft, die älter sind als 16 Jahre und deshalb keine Berechtigung zum Besuch einer normalen Hauptschule mehr haben.

In drei neunten und einer zehnten Klasse sitzen etwa 80 Jugendliche aus 25 verschiedenen Nationen. Es sind meist nachgeholte Migrantenkinder, Asylbewerber oder Flüchtlinge. Für die meisten SchülerInnen biete die Schule die einzige Möglichkeit, deutsch zu sprechen, da sie in Heimen wohnen oder in Familien leben, in denen wenig deutsch gesprochen wird. Die Kürzungen würden nun jedoch den Sprachunterricht selbst betreffen. Die besondere Schwierigkeit liegt darin, daß den Jugendlichen nicht nur die Unterrichtsinhalte vermittelt werden müßten, sondern die Fachterminologie selbst erst übersetzt werden müsse. Wenn keine Aufteilung der Sprachkurse in Fortgeschrittene und Anfänger mehr möglich ist, ist ihr Erfolg nicht mehr gewährleistet.

Wie eine Lehrerin erläuterte, brauchen diese Schüler eine besonders intensive Betreuung. Wenn diese zusätzliche Betreuung ausbleibe, würden sie erfahrungsgemäß verstärkt den Unterricht schwänzen. Als im vergangenen Jahr eine Kollegin wegen Krankheit ausgefallen sei und kein Vertretungsunterricht möglich gewesen sei, seien Schüler verstärkt dem Unterricht ferngeblieben. Außerdem befürchtet die Lehrerin, daß die Ausdünnung der Lehrerstellen schlechtere Abschlußzeugnisse der Schüler zur Folge haben wird. Tobias Rapp