Nur ein falscher Satz

■ Jewgeni Kafelnikow gewinnt in Paris gegen einen unlockeren Michael Stich

Berlin (taz/dpa) – Vielleicht war es nur dieser eine Satz, der es verhinderte, daß einer, der eigentlich gar nicht mitspielen wollte, schlußendlich alles gewinnt. Jener Satz, den Michael Stich sprach, nachdem er im Halbfinale der French Open den Schweizer Marc Rosset in drei glatten Sätzen demontiert hatte. „Jetzt will ich das Turnier auch gewinnen“, hatte Stich gesagt und erstmals das nächste Spiel nicht nur verstanden als Zugabe für einen, der nicht einmal drei Monate nach einer schweren Knöcheloperation so gut spielte wie lange nicht mehr.

Dabei war es nicht einmal so, daß Stich schlecht spielte im Finale, das Jewgeni Kafelnikow schließlich 7:6 (7:4), 7:5, 7:6 (7:4) gewann. Aber er erkannte selbst, daß er „mit dem gleichen Ergebnis auch gewinnen“ hätte können. Im zweiten Durchgang schlug er beim Stand von 5:2 zweimal zum Satzgewinn auf, und auch im dritten führte er mit einem Break. Doch fast schien es, als wäre es gerade mal wieder der Kopf, der nicht so wollte, weil sich der 27jährige das erste Mal bei diesen Meisterschaften selbst unter Druck gesetzt hatte. In den Runden zuvor war Stich noch ein einziges Strahlen gewesen, und auch noch direkt nach der sonntäglichen Niederlage ließ er das Publikum wissen, er habe „zwar ein Spiel verloren, aber die Freude an meinem Sport zurückgewonnen“. Aber schon wenig später war er nur mehr Enttäuschung. Der alte, der verbissene Stich war zurückgekehrt. Die „goldene Ananas“ sei dieser Erfolg, „da kann ich mir nichts für kaufen“. 550.000 Deutschmark bekam der wohnhafte Salzburger immerhin, und die österreichische Zeitung Der Standard freute sich: „Michael Stich wird immerhin die Prämie des Zweiten in Österreich versteuern. Österreich hat also budgetmäßig heuer weit mehr von dem Turnier als im vergangenen Jahr, als Thomas Muster siegte. Der Ex-Steirer trägt seine paar Steuerschillinge bekanntlich zur Bilanz von Monte Carlo bei.“

Der Fiskus in Sotschi am Schwarzen Meer muß demnächst die doppelte Summe verkraften. Jewgeni Kafelnikow genügte eine durchschnittliche Leistung im Finale, um als erster Russe überhaupt ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Er war so überwältigt, daß er nur noch selig lächelte und nicht wußte, „was ich sagen soll, so glücklich bin ich“. Einen einzigen Satz hatte der 22jährige im gesamten Turnierverlauf im Einzel verloren, und mit seinem tschechischen Partner Daniel Vacek siegte er auch noch im Doppel. So ein Double hatte zuletzt Stefan Edberg vor neun Jahren bei den Australian Open geschafft. In Paris geht es noch weiter zurück: 1968 siegte der Australier Ken Rosewall im Einzel und Doppel.

Beide werden nun in Wimbledon die neugewonnenen Meriten bestätigen wollen. Stich spielt bereits diese Woche wieder beim Vorbereitungsturnier im Londoner Queen's Club, während Kafelnikow erst sieben Tage später im westfälischen Halle auf Rasen übt. Stich wird dort nicht antreten, denn als er 1994 gewann und 1995 das Finale erreichte, schied er in Wimbledon jeweils in der ersten Runde aus. to