Schulpolitische Karriere

■ Nurdan Kütük ist stellvertretende Vorsitzende des "Türkischen Wissenschafts- und Technologiezentrums" an der Technischen Universität Berlin. Ein Porträt der Studentin

Treffpunkt Hauptgebäude der Technischen Universität Berlin (TU), 2. Stock, „Türkisches Wissenschafts- und Technologiezentrum“(BTBTM): In dem kleinen Büro der sozialdemokratischen Selbsthilfeorganisation türkischer Studierender und Akademiker begrüßt Nurdan Kütük ihren Besucher und verschiebt die noch offenen Telefonate auf später. Ein kurzes Durchatmen, dann beginnt sie über ihre Generation, ihre Arbeit und über sich selbst zu erzählen.

Geboren wurde sie in Adana, als Fünfjährige kam sie mit ihren Eltern nach Berlin. „Als ich eingeschult wurde“, erinnert sich die frisch gewählte stellvertretende Vorsitzende von BTBTM, „konnte ich kein Wort Deutsch.“ Nurdan weiß, daß sie es der Schulärztin zu verdanken hatte, damals auf eine „normale“ Schule vermittelt zu werden. „Kurz vor dem Abi“, sagt die heute 27jährige, „habe ich die Ärztin wiedergetroffen und konnte mich sozusagen bedanken.“

Dazwischen ist viel passiert. Unter anderem ein Schulwechsel wegen einer offen ausländerfeindlichen Deutschlehrerin. Auch auf der neuen Schule, dem Wilmersdorfer Friedrich-Ebert-Gymnasium, eckte sie an: Ein Physiklehrer zum Beispiel mochte sich partout nicht damit anfreunden, daß ein Mädchen und noch dazu eines türkischer Herkunft in der ansonsten rein männlich besetzten Fachkonferenz mit diskutierte. „Ich habe mich immer zur Wehr gesetzt und nehme dafür auch Nachteile in Kauf“, sagt Nurdan.

Ihre schulpolitische Karriere klingt fast ein bißchen nach Ämterhäufung: Sprecherin der ausländischen Schülergruppe war sie, ebenso gehörte sie der Französisch- und Physik-Fachkonferenz sowie der Gesamtelternvertretung und dem Bezirksschülerausschuß an. Nurdan ist in dieses Engagement hineingewachsen, und im übrigen, so sagt sie, hätte vieles sonst einfach niemand gemacht. Wichtig war ihr dabei die Unterstützung ihrer Eltern und einiger Lehrer. Dieser Rückhalt hat sie bestärkt.

Inzwischen studiert Nurdan an der TU Französisch und Deutsch mit dem Ziel Studienrätin. Vor zwei Jahren stieß sie zu dem vom BTBTM getragenen „Projekt 2 Generation“ und begann in diesem Rahmen Deutschkurse für türkische Abiturienten zu geben. Aus diesem Kreis entwickelte sich eine Gruppe Jugendlicher, die schließlich die Idee für das türkische Jugendfest hatte, das im Mai in der „Werkstatt der Kulturen“ stattfand. Die Gruppe besteht überwiegend aus Mädchen, was Nurdan sehr freut: „Bildung ist das Sprungbrett für türkische Mädchen, sich in der Gesellschaft zu etablieren.“

Zugleich registriert Nurdan bei vielen Jugendlichen eine verstärkte Besinnung auf den Islam. Gleiches gilt für die Uni: „Enorm viel Zulauf hat die islamistische Gruppe an der TU. Die sind sehr gut organisiert“, sagt Nurdan halb anerkennend und halb besorgt. „Man sollte sich mit ihnen auseinandersetzen.“

Unterdessen planen Nurdans Jugendliche schon weitere Aktivitäten: Eine Broschüre soll erstellt und der Austausch mit anderen Gruppen versucht werden. Ein verstärkter interkultureller Dialog erscheint Nurdan dringend geboten. Daher unterstützt sie die Absicht einiger ihrer Kids, sich an der Unite&Act-Jugendtagung gegen Rassismus und Antisemitismus zu beteiligen, die im Herbst von der jüdischen B'nai B'rith Youth Organization veranstaltet wird.

Nurdan will in der Bundesrepublik bleiben und die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen. Daran werden auch die alltäglichen rassistischen Erscheinungen, die großen und die kleinen, nichts ändern. „Dann erst recht“, sagt Nurdan entschlossen. Und schließlich werde sie ja als Lehrerin auf Jugendliche einwirken können: „Hoffentlich jedenfalls.“ Ralf Melzer