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■ Das Beispiel Nigerias zeigt, daß das Militär das größte Hindernis auf Afrikas Weg zu Wohlstand und Größe istDie UNO muß militärisch eingreifen

Überall auf der Welt besteht die traditionelle Rolle des Militärs in der Landesverteidigung. Soldaten sollen zu Lande, zu Wasser und in der Luft gegen äußere Aggression kämpfen und in Zeiten ernsthafter nationaler Instabilität der Polizei zu Hilfe kommen. Dafür bekommt das Militär oft den Löwenanteil des Staatshaushaltes. Es ist eine Säule des Staates, denn es garantiert seine Souveränität.

Das Militär überschreitet diese Befugnis jedoch, wenn es seine Tätigkeit auf die zivile Politik ausweitet und damit gegen den Staat revoltiert, den es eigentlich verteidigen müßte. Dies geschieht heute so oft, daß Militär und Politik nicht mehr zu trennen sind. Die Militärinstitutionen haben sich vielerorts in Institutionen der Machtergreifung verwandelt. Sie haben ihre Rolle als Verteidiger des Volkes zugunsten der Verteidigung ihrer eigenen Machtstellung aufgegeben und treten damit dem Volk als Instrument des Terrors gegenüber, ohne Ansehen professioneller soldatischer Disziplin. Und ihre Führer haben die Kunst der Metamorphose erlernt, mit der sie sich in Zivilisten verwandeln können, wenn sie an der Macht sind. Mobutu Sese Seko in Zaire, Gnassingbe Eyadema in Togo und Jerry Rawlings in Ghana sind zum Beispiel auf diese Weise zu zivilen Präsidenten ihrer Staaten mutiert, nachdem sie als Militärführer an die Macht gekommen waren.

Das Militär, besonders in Afrika, hat immer Gründe für seine Interventionen in die Politik parat. Als Hauptgrund gilt die Notwendigkeit, die Fehler des zivilen Vorgängers zu korrigieren und das Abgleiten des Landes in Chaos zu verhindern. Wenn Soldaten die Macht ergreifen, erklären sie als erstes dem Volk im Rundfunk, daß sie die Macht nicht lange behalten wollen und binnen kurzer Zeit den demokratischen Prozeß wieder in Gang setzen und damit wieder eine gewählte zivile Regierung hervorbringen werden.

Aber dies ist immer ein Trick – um Unterstützung zu gewinnen und um den Griff auf die Macht zu festigen. Das Versprechen eines bevorstehenden Übergangs zur Zivilherrschaft wird täglich wiederholt, während das Militär sich der offenen Korruption und der Verschwendungssucht hingibt. Wer Afrika genau anguckt, wird schnell merken, daß Militärherrschaft ein Fluch ist und kein Segen. Noch steht Afrika am Scheideweg. Das Militär ist das größte Hindernis auf Afrikas Weg zu Wohlstand und Größe. Denn es gibt im Staatswesen eine Arbeitsteilung zwischen militärischen und zivilen Institutionen. Militärs sind Experten in Verteidigungsstrategie und Gewalt. Politiker sind Experten in Verwaltung. Ein Staat kann nur Frieden und Stabilität genießen, wenn seine Bestandteile im Rahmen einer solchen Arbeitsteilung funktionieren.

Militärregierungen in der Dritten Welt verursachen keine positiven Veränderungen in der Kultur oder der Wirtschaft ihrer Völker, sondern sie zerstören sie und plündern sie aus. Sie sind keine Patrioten und auch keine beispielgebenden Führer.

Nigeria ist ein Land von Milch und Honig, aber seine Bürger haben davon nichts. Es liegt an einem Fluß, aber seine Bürger müssen sich mit der eigenen Spucke waschen. Die Entwicklung Nigerias ist zum Stillstand gekommen. Wegen des Wütens der Militärherrscher verlassen Nigerianer ihre Heimat. Ausländische Investoren haben vor dem Land Angst und bleiben weg. Inflation hat die Währung zu Klopapier reduziert. Die herrschende Militärjunta und ihr Anhang protzen mit ihrem Reichtum, die Volksmassen leben in Elend. Die Einnahmen aus dem Ölexport werden von den Herrschenden eingesackt und nicht zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen genutzt.

Die Ogonis, in deren Land traditionell 80 Prozent des Öls gefördert worden sind, sind Nigerias Erniedrigte und Beleidigte. Von ihrem Schweiß lebt die Nation seit vielen Jahren, und entlohnt werden sie mit Blut und Tränen. Die Medien, Stimme der Stimmlosen, sind geknebelt. Journalisten werden täglich gejagt, verhaftet und eingesperrt – ohne erkennbaren Grund, außer dem der kleinlichen Verfolgungssucht. Pressefreiheit gibt es nicht, und wenn sie doch gewährt wird, dann nur unter strengen Bedingungen.

Der nigerianische Staat ist kraftlos geworden, denn er ist der Architekt seiner eigenen Zerstörung. Die Vereinten Nationen sollten daher Nigerias Militär zur Ordnung rufen. Das Nachdenken über Wirtschaftssanktionen reicht nicht aus, um die Plünderer und Gauner aus dem Amt zu treiben. In der Vergangenheit haben Sanktionen eher das Los der zivilen Bevölkerung verschlechtert, während die Militärklasse ungerührt blieb, weil sie immer noch genug zum Überleben hat. In Haiti trieb nicht das UN-Wirtschaftsembargo die Militärjunta von der Macht, sondern die Anwendung militärischer Gewalt durch die USA.

Die Vereinten Nationen müssen daher über neue Strategien nachdenken. Sie sollten ihre Charta erneuern. Überarbeitungsbedürftig ist der Artikel, der vorsieht, daß die UNO in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedsstaates nur auf Antrag dieses Mitgliedsstaates eingreifen kann. Wenn Kinder streiten, muß der Vater von selber eingreifen. Er kann nicht warten, bis die Kinder ihn rufen. Wenn er nicht aktiv wird, wird seine väterliche Rolle in Frage gestellt. So sollte auch die UNO Gewalt gegen eine drohende Machtübernahme des Militärs in einem Mitgliedsstaat anwenden, wenn sie Grund zu der Annahme hat, daß das Land sich in einem Zustand der Gesetzlosigkeit befindet.

Eine andere Möglichkeit für die UNO wäre eine Resolution, die alle Formen von Militärherrschaft auf der Welt für illegal erklärt und Mitgliedsstaaten mit dem Ausschluß droht. Ferner sollten gegen Länder, die vom Militär beherrscht werden, Rüstungsembargos verhängt werden. Denn ein Großteil des staatlichen Verteidigungshaushalts wird für die Rüstungsbeschaffung verwendet. Zudem sollten UN-Mitglieder die diplomatischen Beziehungen zu Ländern unter Militärherrschaft abbrechen.

Die USA verdienen Lob für die Weise, in der sie die Militärjunta auf Haiti gestürzt und den gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide wieder eingesetzt haben. Zwar entsprach das Eingreifen auf Haiti US-amerikanischen Interessen: Die Grundidee war keine allgemeine Abneigung gegen Militärherrschaft, sondern das Bedürfnis, den Zustrom haitianischer Einwanderer in die USA einzudämmen; doch der Sturz von Maurice Bishop in Grenada und Expräsident Noriega in Panama durch US- geführte Eingreiftruppen zeigen, daß es für US-Interventionen obskure Gründe geben kann. Auch die UNO ist ein zweischneidiges Schwert, weil sie zugelassen hat, daß politische Einflußnahmen ihr Urteilsvermögen einschränken, und weil ihre Mitglieder durch Waffenexporte Konflikte in aller Welt schüren. Doch bleibt festzuhalten, daß es für die Entwicklung der Welt einen immensen Fortschritt bedeuten würde und unzählige Menschen wieder einen Sinn in ihrem Leben entdecken könnten, wenn alle Militärregierungen bis zum Jahr 2000 beendet wären. Bright Johnson

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