Rinderwahn nicht zu verbrennen

Britischer Stromkonzern prüft Verbrennung von BSE-Rindern. Experten warnen vor unkontrollierter Verbreitung der Krankheitserreger  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Genausogut könne man den ganzen Tag lang Pfundmünzen von der London Bridge in die Themse werfen, sagte ein Bauer aus der südostenglischen Grafschaft Kent gestern. Er muß seine Rinderherde durchfüttern, obwohl er weiß, daß sie aufgrund der BSE-Rindfleischkrise über kurz oder lang im Verbrennungsofen landen wird. Bald beginnt die Heuernte, für die er jedes Jahr zwei oder drei Gehilfen einstellt. „Ich muß damit rechnen, daß ich die Tiere auch im Winter noch am Hals habe“, sagte er, „und ich kann sie ja dann nicht verhungern lassen.“

Die Wut auf die Regierung wächst unter den britischen Bauern. Das Programm zur Tötung der mehr als 30 Monate alten Rinder ist ins Chaos gestürzt worden, weil die Regierung bei der Festlegung des Schadensersatzes nicht bedacht hat, daß es für die Bauern lukrativer ist, Jungbullen schlachten zu lassen statt Kühe. Weil sich die Kompensationszahlungen nicht unterscheiden, stehen die Kühe am Ende der Schlange – und die ist sehr lang, da die Kapazitäten der Abdeckereien längst nicht ausreichen.

Deshalb überlegt die privatisierte Elektrizitätsgesellschaft National Power nun, die getöteten Rinder in Kraftwerken zu verbrennen. Entsprechende Versuche seien in Vorbereitung, hieß es. Die Rinderkadaver müßten zermalmt und unter sehr hohen Temperaturen verbrannt werden. „Wir müssen absolut sicher sein, daß wir den BSE-Erreger zerstören, damit er nicht in die Umwelt gerät“, sagte ein Sprecher von National Power am Sonntag.

Der Mikrobiologe und BSE- Forscher Harash Narang aus Newcastle hält nichts davon. „Das ist keine gute Idee“, sagte er gestern zur taz, „man müßte komplizierte Filteranlagen bauen, damit Teile des Materials bei der Verbrennung nicht herausgeschleudert werden und die Umwelt verseuchen können.“ Diese Schutzmaßnahmen traut er der britischen Regierung jedoch nicht zu. „Wer so etwas vorschlägt, ist mit seiner Weisheit offenbar am Ende“, sagte er. „Das sind doch Amateure, die andauernd etwas Neues aushecken und dabei jedes Mal eine neue Katastrophe heraufbeschwören.“

Narang fügte hinzu, daß der derzeitige Umgang mit den Rinderkadavern ebenfalls hochriskant sei. Die zu Fleischmehl verarbeiteten Überreste werden oft vergraben, sagte er. „Es würde mich auch nicht wundern, wenn ein Teil von dem Zeug in die Flüsse gekippt wird“, sagte er. „Dadurch werden andere Tiere unnötig gefährdet.“

Dieser Meinung ist auch Alan Colchester, ein Neurologe am William-Harvey-Krankenhaus in Canterbury. In der Nähe befindet sich Canterbury Mills, eine Abdeckerei. Dort werden die getöteten Rinder zermalmt und zu Fleischmehl zermahlen, das dann in der Umgebung verstreut wird. Colchester warnte, daß sich dadurch andere mit der Krankheit infizieren können. Er untersucht zur Zeit, ob Creutzfeld-Jakob-Erkrankungen in der Nähe von Canterbury Mills mit der Abdeckerei in Verbindung gebracht werden können.