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„Ein Eklat sondergleichen“

■ Die SPD-Politikerin Inge Wettig-Danielmeier zu den bayerischen Plänen, das Abtreibungsrecht zu verschärfen

taz: Frau Wettig-Danielmeier, heute wird sich der bayerische Landtag erstmals mit den eigenen Sondergesetzen beim Abtreibungsrecht auseinandersetzen. Wie bewerten Sie diesen Alleingang?

Inge Wettig-Danielmeier: Was die bayerische Landesregierung da macht, ist ein Eklat sondergleichen. Beim Abtreibungsrecht haben wir im vorigen Jahr einen Kompromiß gefunden, der von CDU/CSU, SPD und FDP getragen wurde. Immer wieder wurde von den Vertretern der CSU Rücksprache mit der bayerischen Landesregierung gehalten. Es gibt kein einziges Bundesland, das so in den Kompromiß eingebunden war wie Bayern. Wenn ich einen solchen Kompromiß in einer Demokratie mitgestalte, dann habe ich anschließend auch die Verpflichtung, ihn mitzutragen.

Nun behauptet die bayerische Landesregierung, sie wolle mit eigenen Gesetzen regeln, was auf Bundesebene noch nicht geregelt ist. Etwa, daß jeder Arzt nur ein Viertel seiner Einnahmen aus Abtreibungen finanzieren darf.

Sie hat die Kostenfrage geregelt, dazu hat sie jedes Recht. Sie regelt aber auch Dinge, die schon im Bundesrecht festgeschrieben sind, etwa die Beratung. Keine Frau kann dazu gezwungen werden, die Gründe für ihre Abtreibung zu nennen. Die Pläne Bayerns verletzen hier eindeutig Bundesrecht.

SPD und FDP wollen abwarten, bis Bayern den Alleingang bis zum bitteren Ende durchgezogen hat, um dann vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Was halten Sie davon?

Die Normenkontrollklage ist doch das letzte Mittel, wenn die Politik nicht mehr handlungsfähig ist. Zur Zeit gibt es aber immer noch eine ganze Menge anderer Handlungsmöglichkeiten. Immerhin hat selbst der Bundeskanzler dem Kompromiß zugestimmt. Die FDP könnte also längst die Koalitionsfrage stellen. Sie sitzt mit diesen Leuten ja in einer Regierung. Zugleich muß die CDU ihre Partnerin CSU auf den Kompromiß zurückführen. Sonst plädiere ich dafür, daß man in Bayern einen Volksentscheid herbeiführt. Die Parteien und Bürgerinitiativen dort haben diese Möglichkeit. Auch die bayerische Bevölkerung hat dieses Theater satt und steht in ihrer Mehrzahl hinter einer liberalen Lösung bei Abtreibungen.

Aber selbst Ihr Fraktionschef Rudolf Scharping will doch nach Karlsruhe ziehen. Otto Schily arbeitet für die SPD schon eine entsprechende Klage aus.

Wahrscheinlich sehen beide keine andere Möglichkeit. Ich bin der Meinung, eine Normenkontrollklage ist nicht das naheliegendste. Naheliegender ist die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger.

Sie stehen einer Verfassungsklage skeptisch gegenüber?

Ich stehe jeder Verfassungsklage kritisch gegenüber, weil ich der Meinung bin, man kann politische Entscheidung nicht ständig vor das Bundesverfassungsgericht bringen.

Käme es doch zur Klage, welche Chancen hätte Bayern?

Das ist nicht vorhersehbar. Ich rechne damit, daß die Karlsruher Richter sagen, Bundesrecht geht vor. Aber eine neuerliche Begründung des Bundesverfassungsgerichts könnte natürlich zu neuen Interpretationen des Abtreibungsrechts führen.

Ich denke nicht, daß es zu einer umfassenden Neuordnung des Abtreibungsrechts kommen könnte. Wir können doch nicht immer wieder die ganze Republik aufwühlen, nur weil Bayern ständig Sonderwege geht. Interview: Karin Flothmann

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