Trotz Sonnenscheins kein Lichtblick

Keine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt: 3,8 Millionen Menschen sind weiterhin arbeitslos. Erstmals äußert die Bundesanstalt für Arbeit vorsichtige Kritik am Bonner Sparkurs  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Wir bleiben bei der Wahrheit – auch wenn es schwerfällt.“ Bernhard Jagoda, Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, kann auch in diesem Monat nicht viel Positives verkünden. Die 3.818.413 Arbeitlosen, die Ende Mai des Jahres bei den Arbeitsämtern registriert waren, zeigen für Jagoda deutlich, daß sich an der „ungünstigen Tendenz auf dem Arbeitsmarkt nichts geändert“ hat.

Seit September letzten Jahres muß der Nürnberger Behördenchef Monat für Monat Arbeitslosenzahlen verkünden, die über dem Vorjahresniveau liegen. Jetzt übt Jagoda vorsichtig Kritik am strikten Sparkurs der Bonner Bundesregierung. „Die Notwendigkeit, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, ist unbestritten. Trotzdem sollten alle öffentlichen Hände sämtliche Spielräume für Investitionen nutzen, um insbesondere ein weiteres Abgleiten der Bauwirtschaft zu verhindern.“

Mit der Bauwirtschaft lahmt die ganze Konjunktur. Bei der anhaltenden Wachstumsschwäche der Wirtschaft liege, so Jagoda, eine Besserung auf dem Arbeitsmarkt „außerhalb der Möglichkeiten“. So bedeuten die knapp über 3,8 Millionen Arbeitslosen Ende Mai zwar einen Rückgang von 148.600 gegenüber dem Vormonat, dennoch liegen sie mit 357.300 weit über dem Vorjahresniveau. Waren im Mai letzten Jahres 9 Prozent ohne Arbeit, so sind es jetzt schon 10 Prozent.

Die Abnahme der Arbeitslosenzahlen gegenüber dem Vormonat ist im Osten wie im Westen der Bundesrepublik „allein jahreszeitlich bedingt“. Mit 2,68 Millionen waren in den alten Bundesländern knapp 86.000 Menschen weniger arbeitslos gemeldet als im April. In den neuen Ländern sank ihre Zahl um 62.600 auf knapp 1,14 Millionen. Ohne den Einsatz einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, also Kurzarbeit, Arbeitsbeschaffungs- und Umschulungsmaßnahmen, läge die Arbeitslosenzahl in Deutschland jedoch noch einmal um knapp 1,5 Millionen höher.

Der Nürnberger Bundesanstalt bereitet nicht nur große Sorgen, daß es nach wie vor zu keinem über das saisonübliche Maß hinausgehenden Abbau des hohen Niveaus der Arbeitslosigkeit kommt. Die Lage der jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt hat sich dramatisch verschlechtert.

Innerhalb nur eines Jahres hat sich die Arbeitslosigkeit der unter 25jährigen im Westen um 12 Prozent auf mittlerweile 322.400 erhöht. In den neuen Bundesländern stieg die Zahl der jungen Männer ohne Job binnen einer Jahresfrist sogar um fast ein Drittel auf 58.700. „Wir haben es 1996 nicht mit einem Ausrutscher zu tun“, warnte Behördenchef Bernhard Jagoda. Er wies darauf hin, daß die Zahl der Schulabgänger im Jahre 2007 um 30 Prozent höher liegen wird als 1994.