Ökosteuer als Jobkiller?

RWI-Gutachten: Energiesteuern würden 400.000 Arbeitsplätze kosten. Für Wirtschaftsminister Clement ist klar: Keine Ökosteuern!  ■ Aus Essen Walter Jakobs

Die Verwirrung ist komplett. Gestern noch galten Energiesteuern als das Instrument, das geeignet schien, Umweltschutz mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen zu verbinden. Heute nun scheint diese „Doppeldividende“ mehr als fraglich. So jedenfalls ein Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), das im Falle eines nationalen Alleingangs bei der Einführung der Energiesteuer massive Arbeitsplatzverluste prognostiziert.

In dem Modell der Essener Forscher wird unterstellt, daß das Preisniveau für Primärenergie jedes Jahr um real sieben Prozent ansteigt. Alle zehn Jahre würden sich die Energiekosten also verdoppeln. Für diesen Fall rechnet das Institut mit einem Abbau von rund 413.000 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2010 in den alten Bundesländern. In der Chemieindustrie fielen 236.000 Jobs weg, im Stahlbereich 89.000 und in der Energieversorgung 25.000. Regional träfe es NRW mit einem Verlust von 150.000 Jobs am härtesten. Düsseldorfs Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), der die Untersuchung für die rot-grüne Landesregierung in Auftrag gegeben hatte, reagierte prompt: Die Energie über Steuern zu verteuern, sei nur bei einer „äußerst differenzierten und behutsamen“ Vorgehensweise sinnvoll. Ausnahmeregelungen seien unabdingbar. „Nur die Grundstoffindustrie auszunehmen, reicht aber nicht aus“, so Clement. Um die anvisierten Klimaentlastungen zu erreichen, sei es jetzt geboten, „ein anderes Instrumentarium zu finden“. Zur Zeit könne er das Steuerrecht dafür „nicht akzeptieren“.

„Totschlagargumente“ für Energiesteuergegner

Ganz andere Töne kamen von dem bündnisgrünen Koalitionspartner. Dessen energiepolitischer Sprecher Manfred Busch hielt den Gutachtern vor, sie würden „den Energiesteuergegnern Totschlagargumente liefern“, weil sie die Wirkungen von Übergangsregelungen und Anpassungshilfen nicht untersucht hätten.

Würde die siebenprozentige Verteuerung der Primärenergie ohne Ausnahmen wirksam, käme es der Studie zufolge durchaus zu ökologisch erwünschten Veränderungen: Neben dem Energiesparen und der Energiesubstitution zählt die Studie den Ausbau der Kraft-Wärme-Koppelung, die Stärkung der dezentralen Energieversorgung und die Wettbewerbsverbesserung für regenerative Energien auf. Erreichbar seien die aber aber nur, wenn man beim Primärenergieverbrauch ansetze und die Steuer progressiv ansteige. Mit dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen linearen Modell sei das nicht zu schaffen.

Die Kehrseite des ökologischen Fortschritts in Deutschland seien aber „strukturelle Verwerfungen“, so daß es RWI-Chef Paul Klemmer zufolge am Ende heißen könnte: „Operation gelungen – Patient tot.“ Die aus der Energiesteuer zu finanzierende Reduzierung der Arbeitskosten fiele zu gering aus, um eine fühlbare Beschäftigungsverbesserung in anderen Sektoren zu erreichen. Im Dienstleistungsbereich seien neue Arbeitsplätze „kaum zu erwarten“. Dies steht im deutlichen Widerspruch zu einem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Berliner Forscher rechnen mit einem Plus von 500.000 Arbeitsplätzen.

Doch ihres Ergebnisses ganz sicher scheinen sich die RWI-Leute nicht zu sein. In ihrer Zusammenfassung heißt es: „Der Saldo von neu geschaffenen und verlorengegangenen Arbeitsplätzen wird nicht zwangsläufig positiv sein.“ Möglicherweise aber schon? Daran glaubt jedenfalls der Wuppertaler Klimaforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker. Wenn die Steuer beim Endverbraucher ansetze und der Grundstoffbereich ausgenommen werde, komme es zu einem klimaschonenden Technologieschub, der Deutschland auch als Wirtschaftsstandort zukunftsfähiger mache.