: Keinen Pfennig von den Rechten
■ 290.000 Mark Staatssubvention für DVU und Co. / Kaum Chancen auf Rückzahlung
Deutschlandpremiere vor dem Staatsgerichtshof: Zum ersten Mal in der bundesrepublikanischen Geschichte versucht ein Parlament, Steuergelder von Fraktionen zurückzubekommen. Konkret: Die Bürgerschaft klagt gegen die Übriggebliebenen der Deutschen Volksunion (DVU) und deren Ab-splitterung Nationalkonservative Gruppe (NK). Es geht um knapp 500.000 Mark, die aus den Fraktions- bzw. Gruppenkassen teils in private, teils in Partei-Kanäle geflossen sind. Allerdings: Die Bürgerschaftsverwaltung hatte wohlweislich der NK 100.000 und der DVU 111.000 Mark Zuschüsse vorenthalten, als die Finanzskandale ruchbar wurden. Bleiben also noch rund 290.000 Mark. Zwar deutet alles darauf hin, daß das Parlament den Prozeß gewinnen würde , nur wird es kaum einen weiteren Pfennig sehen.
Die Chronique scandaleuse der DVU und NK ist voller unglaublicher Geschichten: Von satten Diätenzuschlägen für die Privatkassen der Abgeordneten aus der Frak-tionsschatulle über verdeckte Parteienfinanzierung bis hin zu dritten Zähnen auf Fraktionskasse – keine Betrügerei schien unmöglich. Insgesamt sind horrende Summen aufgelaufen. Knapp 116.000 Mark will die Bürgerschaft von der NK zurückhaben, mehr als 375.000 Mark von der DVU.
Am letzten Dienstag war Verhandlungstermin vor dem Staatsgerichtshof. Wobei die Richter im Falle NK ordentlich Probleme hatten. Von der ist nämlich nichts mehr übrig. Gründervater Hans Altermann ist gestorben, und seine beiden Kompagnons, Peter Nennstiel und Klaus Blome, haben die Gruppierung längst verlassen. Allerdings hatte Altermann noch einen Anwalt beauftragt, im Namen der Gruppe Nennstiel wegen Veruntreuung von Fraktionsmitteln zu verklagen. Der Fall ist noch vor dem Landgericht anhängig. Nun soll Nennstiel bei einem weiteren Termin am 5.7. auch vor dem Staatsgerichtshof aussagen.
In der Sache DVU konnte dagegen schneller Prozeß gemacht werden. Die ehemaligen Abgeordneten – von der Fraktionsvorsitzenden Marion Blohm bis zum Chefpropagandisten Hans-Otto Weidenbach – hatten es vorgezogen, nicht zu erscheinen. Als ehemalige Abgeordnete hätten sie ein Zeugnisverweigerungsrecht. Was Richter Günter Pottschmidt überhaupt nicht einsehen wollte: „Es kann nicht angehen, daß sie durch Nicht-Erklärung an einer Sachentscheidung vorbeikommen.“ Nun wird nach Aktenlage entschieden.
Doch das zu erwartende Grundsatzurteil wird ohne Effekt bleiben. Die beiden mausetoten Parlaments-Gruppierungen gelten juristisch als „nicht rechtsfähige Vereine“ – und die haften mit dem Gruppenvermögen und nicht mit den Privatvermögen der einzelnen Mitglieder. „Da haben wir keine Möglichkeit ranzukommen“, sagt der Justiziar der Bürgerschaft.
Allerdings: Ganz aus dem Schneider sind Blohm, Weidenbach und Co. noch nicht. Staatsanwaltschaft und Kripo ermitteln gegen einzelne DVU-Abgeordnete, weil die dem Bürgerschaftspräsidenten gegenüber testiert hatten, daß die Fraktionsmittel ordnungsgemäß ausgegeben worden seien. Das war sträflich gelogen. Daß die Ermittlungsbehörden erst jetzt aktiv werden, das hat auch einen Grund: Die Akten kommen aus dem Nachlaß des ehemaligen Polit-Staatsanwalts und jetzigen Innen-Staatsrats Hans-Georg von Bock und Polach. Und der hatte sie schlicht liegengelassen. J.G.
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