Debütanten zu Hauf(f)

Das Filmfestival Potsdam hat begonnen, oder besser: der „Europäische Salon für Liebhaber des jungen Films“ ist eröffnet. Es gibt auch „Gute deutsche Filme“ und gepflegte Gespräche  ■ Von Peter W. Jansen

Sie wissen offenkundig, was sie an ihm haben, die Stadt, das Land und das Filmboard am Festival in Potsdam. Jedenfalls sprachen die Abgesandten im Namen des Ministerpräsidenten und des Stadtoberhaupts, als sie sich auch für die Zukunft festlegten. Sie werden zahlen. Es muß sich schließlich gelohnt haben, das Lehrgeld, das gelöhnt wurde, als sie in den Amtsstuben sorgfältig lernten, wie ihr Adoptivkind in Potsdam heißt: „Europäischer Salon für Liebhaber des jungen Films“. Jetzt beherrschen selbst die Bosse den schwierigen Text.

Jedenfalls waren sie alle recht stolz darauf bei den Reden zur Eröffnung des Salons am Dienstag abend. Für Festivalleiterin Irina Knochenhauer, die den Abend zwischen Kurzfilmen und Reden moderierte, kein geringer Erfolg, ein Markenzeichen gefunden und durchgesetzt zu haben. Und warum sollen sie neben Berlin kein eigenes, trotziges Festival haben in Potsdam, wo sie doch auch ein eigenes Brandenburger Tor haben.

Die Sonne lacht über der Mark, und es verspricht eine Lust zu sein, wenn sie untergegangen ist und das Brandenburger Tor zur Leinwand wird, für „Eins, Zwei, Drei“ von Billy Wilder, dem eine kleine Retro des Filmmuseums gilt, oder „Die Liebenden von Pont Neuf“ von Léon Carax mit Juliette Binoche, deren Reden mit geschlossenem, lächelndem Mund man nie groß genug sehen kann.

Jeder Salon, auch dieser, lebt von der Begegnung des Alten mit dem Neuen, des Bekannten mit dem Unbekannten. So sind gute Bekannte aus früheren Jahren wiederzusehen und Filme aus Cannes. Ich kenne kein anderes Festival, das ähnlich stolz darauf wäre, Filme von einem anderen Festival präsentieren und am Wettbewerb teilnehmen lassen zu können...

Daß eine Reihe „Gute deutsche Filme“ heißt, erinnert mich an meine Mutter und an magere Zeiten. Da gab es entweder Margarine aufs Brot oder „gute Butter“, Butter jedenfalls nie ohne das Beiwort „gut“. Butter ohne gut gab es nicht. Vielleicht ist „Gute deutsche Filme“ ja eine Beschwörungsformel oder der Beginn eines Zeitalters, in dem es entweder schlechte Filme gibt oder gute deutsche. Einerseits. Andererseits kann mein Philologenherz nicht ausschließen, daß „deutsche Filme“ Margarine sind und nur „gute deutsche Filme“: gute Butter. Warten wir's ab.

Der Wettbewerb von Potsdam, einige Tausender zu gewinnen, nennt sich „Neues europäisches Kino“. Man wird bemerken, daß hier das Beiwort „gut“ nicht vorkommt. Wahrscheinlich mit Rücksicht auf die Jurys, die sonst nichts zu tun hätten. Es gibt deren zwei (zu jeweils drei Personen), die noch eine säuberliche Trennung zwischen Spiel- und Dokumentarfilm vornehmen sollen, während das Programm eine bunte Mischung ist. Fiction und faction und außerdem Kurzfilme mittendrin und neben alten Streitrössern (oder Paradepferden) wie Volker Koepp und Péter Gothár aus Ungarn Debütanten zu Hauf(f). Unbekanntes en masse.

Kein Salon ohne Salongespräche natürlich. Abends im Alten Rathaus, im Blauen Salon, ausgerechnet. Wo Billy Wilder nicht selber kommt, kommt, es darf geraten werden, Hellmuth Karasek und hat Horst Buchholz und Lilo Pulver als „Stargäste“ im Handgepäck.

Vorher aber hat es sich schon entschieden, ob in Potsdam und Brandenburg auch in Zukunft mehr zu haben ist als Babelsberg- Nostalgie und Retrospektives. „Fusion geplatzt – Film ab!“ heißt eine Salonrunde, in der es um die „Filmregion Berlin-Brandenburg“ geht. Man muß kein Prophet sein, um zu wissen, daß sie alle in den Seilen hängen und sich nicht weh tun werden, ein Salon ist schließlich kein Saloon. Und ratlos werden sie bleiben, die Artisten in der Zirkuskuppel, die auf solidem märkischen Sand gebaut ist.

Bis 16.6., Programminformationen unter Tel.: 0331-2707 161