■ Bauunternehmer treten aus dem Arbeitgeberverband aus
: Bürokratische Verkrustung

Vorbei die Zeiten, in denen das Arbeitgeberlager geschlossen den Lohnabhängigen gegenüberstand. Nicht nur die Gewerkschaften befinden sich in einer existentiellen Krise. Auch BDA, BDI und DIHT haben massiv mit Verbandsflucht zu kämpfen. Der gestrige Austritt der Baubranche ist nur der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die Mitte der achtziger Jahre einsetzte und nach dem Mauerfall an Schwung gewann.

Die Gründe dafür sind zum Teil hausgemacht: Alle drei Verbände gelten als bürokratisch verkrustet. Und sie treten vor allem für die Interessen der großen Altindustriebetriebe ein. Für die Computerbranche gibt es beim BDI noch nicht einmal ein eigenes Ressort, die Telekommunikation findet bisher überhaupt keinen Platz unter diesem Dach. Von zukunftsweisenden Entwicklungen schneidet sich der Verband selbst ab: Die Chemieindustrie blockiert jede Diskussion über Ökosteuern und zwingt dem BDI diese Position auf. Gerade Hersteller innovativer Technologien fühlen sich in keiner Weise repräsentiert.

Bei der Lohnfrage vertreten die Arbeitgeber hingegen aus strukturellen Gründen unterschiedliche Positionen. Die Öffnung der osteuropäischen Märkte, die EU-Freizügigkeit und der Wirtschaftsboom in Asien haben die Spaltung vertieft. Die international agierenden Branchen weisen stets auf die niedrigen Löhne anderswo hin und wollen so einen Abbau von Arbeitnehmerrechten durchsetzen. Die im Inland wirtschaftenden Branchen möchten dagegen am liebsten die ausländischen Konkurrenten aus Deutschland raushalten. So kommt es, daß sich Bauarbeiter und Bauarbeitgeber in ein Boot setzen und gemeinsam gegen den Strom des BDA anrudern.

Auch wenn viele Arbeitgeber extrem unzufrieden mit ihren Verbänden sind – die meisten wollen dennoch nicht an den vom BDA ausgehandelten Flächentarifverträgen rütteln. Denn wenn es keine allgemeinverbindlichen Abmachungen mehr gäbe, stünden die Betriebsleiter plötzlich Betriebsräten allein gegenüber. Davon aber versprechen sie sich selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit nicht viel, wie die Übernahme der Tarifverträge auch durch die meisten Verbandsflüchtlinge belegt. Eine betriebsinterne Aushandlung der Löhne würde die Konkurrenz innerhalb der einzelnen Branchen noch einmal extrem anheizen. Viele Chefs können sich ausrechnen, daß das auch ihren Job kosten würde. Annette Jensen