■ Brandanschläge auf schwarze Kirchen im Süden der USA
: Lokale Einzeltäter?

Auf den ersten Blick hat das eine nichts mit dem anderen zu tun: Im Norden der USA, in Montana, halten ein paar schwerbewaffnete, per Haftbefehl gesuchte Angehörige einer weißen Bürgermiliz seit Wochen ein Großaufgebot von FBI und lokaler Polizei in Schach. Empörung der Öffentlichkeit und Medieninteresse halten sich in Grenzen. Der Druck der Ordnungshüter ist milde. Man hat sich gerade mal dazu durchgerungen, den Belagerten Strom und TV-Empfang abzuknapsen.

Im Süden der USA, in Texas, Alabama, Tennessee, Mississippi, South und North Carolina, stecken Rassisten seit Monaten eine afroamerikanische Kirche nach der anderen in Brand. Empörung der Öffentlichkeit und Medieninteresse halten sich in Grenzen. Der Ermittlungsdrang der Polizei richtet sich in einigen Fällen mehr auf die schwarzen Kirchgänger als auf das rechtsradikale Umfeld.

Man stelle sich vor, die Farben wären vertauscht: In Montana hätten sich ein Dutzend bis an die Zähne bewaffnete schwarze Männer verschanzt, die auf jeden Polizisten schießen, der ihnen zu nahe kommt. Man stelle sich vor, im Süden hätten in den letzten 18 Monaten 32 Kirchen weißer Gemeinden gebrannt – als Täter würden militante Schwarze vermutet.

Es gäbe Sondersendungen auf allen Kanälen. Krisensitzungen im Weißen Haus. Alarmbereitschaft für die „National Guard“. Das ganze Land würde den Atem anhalten wie zuletzt im Golfkrieg. Oder während des 0.-J.-Simpson-Prozesses. Statt dessen aber konzentriert sich die öffentliche Debatte auf die Frage, ob man es hier mit einer „nationalen Verschwörung“ oder mit „lokalen Einzeltätern“ zu tun hat. Ohne den Ermittlungen vorgreifen zu wollen – die Wahrheit liegt in den meisten Fällen vermutlich in der Mitte – bei „lokalen Verschwörern“. Bloß ist dieser Streit nicht nur nutzlos, sondern auch gefährlich, weil er – wie im Simpson-Prozeß – zu einer Konstruktion zweier völlig entgegengesetzter Realitäten führt: Die weiße Öffentlichkeit verschanzt sich hinter der Ansicht, daß erst der Nachweis einer landesweiten Verschwörung landesweite Empörung erfordert. Die schwarze Öffentlichkeit verschanzt sich hinter der Ansicht, daß jedes Ermittlungsergebnis unterhalb einer nationalen Konspiration als absichtliche Verharmlosung des Problems zu interpretieren ist.

Sollte es nicht gelingen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, könnte der Graben zwischen Schwarzen und Weißen tiefer werden, als es selbst die größten Pessimisten befürchtet haben. Andrea Böhm