Kein Wort über China

■ Die CDU hält eine Chinadebatte im Bundestag derzeit für „kontraproduktiv“

Berlin (taz) – „Klaus Kinkel wird langsam zu einer massiven Belastung der deutschen Außenpolitik.“ So jedenfalls sieht es der Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Joschka Fischer. Aktueller Anlaß für seine gestern verkündete Einschätzung: Kinkels Verhalten gegenüber der von der FDP-nahen „Friedrich-Naumann- Stiftung“ geplanten Tibet-Konferenz. Ursprünglich sollte diese mit 30.000 Mark aus dem Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit finanziert werden. Doch auf Druck aus China legte Außenminister Kinkel (FDP) ein Veto dagegen ein. Die Naumannstiftung mußte mit Anzeigen in Zeitungen um Spenden für die Konferenz betteln. Eine Folge der Entscheidung: Eine minutenlange telefonische Keiferei zwischen Kinkel und dem FDP-Ehrenvorsitzenden und Naumann-Chef Otto Graf Lambsdorff.

Fischer forderte gestern, der Bundestag solle sich umgehend mit einem fraktionsübergreifenden Antrag zum Thema China befassen. Darin wird die Regierung aufgefordert, klare Worte über Menschenrechtsverletzungen und zum Selbstbestimmungsrecht der seit 1950 unter chinesischer Besatzung lebenden Tibeter zu finden. Die Beratung werde zeigen: „Kinkel steht gegen das ganze Haus“, so Fischer. Die Koalitionsfraktionen lehnten dieses Ansinnen umgehend ab. Eine Chinadebatte sei derzeit „kontraproduktiv“, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU- Fraktion, Joachim Hörster.

Der Antrag gilt als Grund für die Stornierung einer für Anfang Juli geplanten Chinareise des Menschenrechtsausschusses des Bundestages. Offiziell nannte die Führung in Peking für die Absage der länger geplanten Reise am Dienstag Terminschwierigkeiten.

Dessen ungeachtet soll die Tibetkonferenz am Samstag morgen im Bonner Wasserwerk, dem ehemaligen provisorischen Plenarsaal des Bundestages beginnen – mit Gebeten tibetischer Mönche. taud