Päpstliches Massenhappening

In Deutschland besucht Johannes Paul II. eine reiche, aber verunsicherte Kirche. Die interne Opposition wird in Paderborn an die Seite gedrängt. In Berlin demonstrieren die Antichristen  ■ Aus Berlin Bernhard Pötter

Was im vergangenen Jahr der Verpackungskünstler Christo in Berlin fertigbrachte, wird in diesem Jahr vom Stellvertreter Christi erwartet: Ein Massenereignis, das wahre Menschenmengen anziehen soll. Für den Besuch von Johannes Paul II. vom 21. bis 23. Juni in Paderborn und Berlin laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Der dritte Besuch des Polen in Deutschland wird zwar am Rande von Gegenveranstaltungen begleitet, doch in erster Linie wird er ein katholisches Massenhappening.

Im Berliner Olympiastadion, wo der Papst in einem Gottesdienst die von den Nazis ermordeten Priester Bernhard Lichtenberg und Karl Leisner als Märtyrer seligsprechen wird, installiert man schon den Altar. Die 120.000 Sitzplatzkarten sind längst vergeben. Die Organisatoren rechnen mit 150.000 Besuchern und einem ausgewachsenen Verkehrschaos. In Paderborn, der tiefschwarzen Hochburg des Katholizismus, werden am 21. und 22. Juni 80.000 Menschen erwartet. Mitten im katholischen Stammland will Johannes Paul II. hier ein Zeichen für die Ökumene setzen: Er besucht ein katholisches „Zentrum für Ökumenik“ und einen Gottesdienst mit Vertretern der Evangelischen Kirche. Die Kosten für den „Pastoralbesuch“ sind enorm: Berlin hat in seinem Kirchenetat drei Millionen Mark veranschlagt, Paderborn rechnet mit ein bis zwei Millionen.

Auch wenn das Staatsoberhaupt des Vatikans offiziell nur seine Gemeinden besucht, tritt die Politik zum Händeschütteln an. Bundespräsident Herzog wird den Papst auf dem Flughafen Paderborn empfangen. Bundeskanzler Kohl verkündete in der kirchlichen Presse, das Oberhaupt der katholischen Kirche sei „in Deutschland herzlich willkommen, denn wir verdanken ihm viel“: Der Papst gehöre schließlich zu jenen „geistigen Kräften, die die sowjetische Vorherrschaft über das östliche Mitteleuropa ins Wanken gebracht haben“.

Sein Besuch führt Johannes Paul II. in ein Land, das immer noch einer der kräftigsten Geldgeber der katholischen Weltkirche ist: Rund acht Milliarden Mark nimmt die katholische Kirche Deutschlands jährlich an Kirchensteuern ein, ein bis zwei Milliarden gehen nach internen Schätzungen in Projekte der Mission und der Entwicklungshilfe. Der Vatikan selbst erhält jährlich 15 bis 20 Millionen von den deutschen Gläubigen.

Im Gegensatz zu dieser geballten Wirtschaftsmacht steht der Katholizismus in Deutschland vor großen Problemen. Der Trend zu Kirchenaustritten ist ungebrochen, jedes Jahr kehren 150.000 Mitglieder der Kirche den Rücken. Bei der Verweigerung von Frauenrechten hat nach der anglikanischen Kirche in England nun auch die altkatholische Kirche Deutschlands dem Vatikan das Bündnis aufgekündigt: Zu Pfingsten wurden in Konstanz die ersten zwei Pfarrerinnen bei den Altkatholiken geweiht. Und schließlich fordert die gläubige Basis in Deutschland, Österreich und Südtirol im „Kirchenvolksbegehren“ die Reform der Kirche: Eheerlaubnis für Priester, Gleichberechtigung der Frauen, Demokratisierung der Entscheidungen.

All diese innerkirchlich heißdiskutierten Punkte werden beim Papstbesuch keine Rolle spielen. Für ein Gespräch mit dem Papst, um das die Initiatoren des „Kirchenvolksbegehrens“ gebeten hatten, ist keine Zeit. Die Kritiker wurden statt dessen an die jeweiligen Bischöfe verwiesen. Doch auch dort verweigert man Gespräche mit ihnen. „Begehren“, schrieb der Weihbischof Hans Leo Drewes den Initiatoren des Plebiszits, „ist die Wurzel allen Übels“.

Deshalb dürfen die katholischen Schmuddelkinder dem Papst in Paderborn nicht unter die Augen kommen: Zwar sind sie in der Woche vor dem Besuch in der Stadt mit Informationsständen präsent, doch für ihr „fröhlich-kritisches“ Parallelprogramm am Tag des Besuchs wurden den Kirchenkritikern alle Räume verweigert: Die zentrale Veranstaltung der „Kirche von unten“, unter ihnen auch verheiratete Priester und Homosexuelle, findet nun auf einem Sportplatz vor den Toren der Stadt statt.

In Berlin dagegen schweigen die Schäfchen: Proteste oder Forderungen an den Papst werde es nicht geben, meint Josef Grünwald von den „Kritischen Katholiken“. Auch Brigitte Loga von der „Initiative Kirche von unten“ ignoriert den Besuch des Mannes, der „nicht mehr unser Papst ist. Wir kümmern uns um wichtigere Sachen wie Menschenrechte und Umweltschutz.“ Nur die antiklerikalen Berliner nehmen den Besuch ihres Lieblingsgegners richtig ernst: Mit Veranstaltungen zu Themen wie Kirche und Sexualmoral wollen sie sich auf den Besuch vorbereiten. Und auch die Spaßfraktion freut sich auf den Oberhirten: Von einem lesbisch-schwulen Straßenfest will am Besuchstag eine Gegendemonstration mit mehreren Gegenpäpstinnen den KatholikInnen entgegenziehen.