Der ungebrochene Stolz einer Lebensschützerin

■ Die bayerische Sozialministerin Stamm verteidigt im Münchener Landtag mit aller Schärfe ihre Sondergesetze zum Abtreibungsrecht. SPD-Chefin Schmidt hält dagegen

München (taz) – Es ist eine eigentümliche Mischung aus Stolz und Fundamentalismus, die man in diesen Tagen bei der bayerischen Sozialministerin beobachten kann. Stolz wirkt Barbara Stamm, wenn sie vor einer Journalistenrunde ihre beiden Gesetze zum Abtreibungsrecht verteidigt. Zufrieden lächelt sie über ihre Idee, den Bonner Abtreibungskompromiß zu unterlaufen: „Wir nutzen nur die Spielräume, die uns die Bonner Gesetze lassen.“ Lässig weist Stamm die Kritik zurück, ihre Bonner CSU-Genossen hätten jener Regelung zugestimmt, die sie jetzt nachbessern will: „Es muß doch möglich sein, daß ein Land seine Kompetenzen nutzt“, rechtfertigt sie ihre Absicht, ambulante Abtreibungen zu erschweren und Frauen in Bayern zu zwingen, beim Beratungsgespräch Gründe für die Abtreibung zu nennen.

Gestern im bayerischen Landtag trumpft Stamm noch einmal auf: „Wer soll sich denn zum Anwalt ungeborenen Lebens machen, wenn nicht wir?“ ruft sie den vielen Männern und wenigen Frauen der CSU-Fraktion zu. Froh sei sie, „froh und glücklich, daß ich als Mitglied der Staatsregierung Anwältin des ungeborenen Lebens sein kann und darf!“ Stamm weicht in den zentralen Punkten ihres Vorschlags keinen Millimeter zurück. Jede Frau in Bayern müsse schon seit drei Jahren den Grund für eine Abtreibung nennen. Dies sei eine „unerläßliche Voraussetzung für eine lebensschützende Beratung“. Der Begriff „Lebensschutz“ wird zum zentralen Motiv ihrer Rede. Daß in diesem Wort christlicher Fundamentalismus mitschwingt, stört sie wohl nicht.

Renate Schmidt, SPD-Fraktionschefin im bayerischen Landtag, antwortet ihr in zurückhaltendem Tonfall – so als sei die neuerliche Debatte zwar eine Chance zur Schärfung des Parteiprofils, doch auch ein Thema aus den siebziger und achtziger Jahren, das sie erledigt glaubte. Die SPD, sagt Schmidt, sei in einer schwierigen Situation, wenn sie gemeinsam mit den Regierungsparteien einen Kompromiß suche: „Wenn wir dann sehen, daß Sie den Kompromiß wieder aufkündigen, macht das die Zusammenarbeit beinahe unmöglich.“ Die Zeit der Konsensbereitschaft sei in Bayern jedenfalls vorbei: „Mit ihren beiden Gesetzen wird Frauen nicht so geholfen, wie es möglich wäre“, sagt Schmidt. So produziere der Zwang nur Druck, „und Beratung unter Druck kann nicht gelingen“. Außerdem sei die Vorschrift nicht kontrollierbar: „Warum schreibt man das also in ein Gesetz?“ fragt sie rhetorisch, und eine Parlamentarierin ergänzt per Zwischenruf: „Um Frauen einzuschüchtern.“

Auch jener Vorschrift für Ärzte, nicht mehr als ein Viertel ihrer Einnahmen durch Abtreibungen zu verdienen, kann Schmidt nichts abgewinnen. „Wie wollen Sie das denn kontrollieren? Wollen Sie wieder in Arztpraxen gehen und Patientenkarteien beschlagnahmen?“ fragt Schmidt. Das Stichwort „Memmingen“ ist damit zwar nur angedeutet – doch man ahnt, daß die alten Schlagworte in Bayern wieder Konjunktur bekommen. Felix Berth