: Eine neue Superdatei für die Geheimdienste?
■ Die Anbieter von Telekommunikationsdiensten müssen ihre Kunden überwachen
An Warnungen hat es nicht gefehlt. Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz tritt ein, was der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka schon länger befürchtet: Die Telekommunikationsnetze drohten „zum ständigen Fahndungsnetz für Polizei und Staatsanwaltschaft“ zu werden. Denn den Anbietern von Telekommunikationsdiensten werden mit dem Gesetz umfangreiche Auflagen zur Überwachung ihrer Kunden gemacht.
Der weitreichende Eingriff in das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung der Bürger wird in einem Paragraphen 87 des Telekommunikationsgesetzes gesetzlich normiert. Festgeschrieben wird darin, daß Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste in Erfüllung ihrer Aufgaben jederzeit Zugriff auf die Kundendateien von Telekommunikationsdiensten nehmen können. Betroffen davon sind nicht nur etwa Telekom oder Mobilfunkunternehmen. An die kurze Überwachungsleine werden auch die Online-Dienste, die Internet-Provider und die Betreiber von Mailboxen gelegt. Diese müssen nicht nur – auf eigene Kosten – den gewünschten Zugriff der Behörden auf ihre Daten sicherstellen. Die Anlagen müssen technisch auch so gestaltet werden, daß die Betreiber von einem Fernabruf der Daten nichts erfahren.
Mit dem Telekommunikationsgesetz werden die Auskunftsersuchen der Sicherheitsbehörden nicht auf die Aufklärung konkreter Straftaten beschränkt. Neben der Strafverfolgung gelten die Auskunfts- und Überwachungspflichten auch für den Bereich der „Gefahrenabwehr“. Wer jedoch überwachen will, der muß die Anschlußdaten kennen beziehungsweise erfassen können. Diese Aufgabe soll einer Regulierungsbehörde zukommen, die für das Lizenzieren der Anbieter zuständig sein wird. Sie wird als ausführendes Organ der Sicherheitsbehörden die Datenbanken der ihr angeschlossenen Anbieter durchsuchen können. Was auf dem ersten Blick als harmloses Register erscheint, könnte sich aber schnell als Superdatei erweisen: Die Telekommunikationsdienste speichern in aller Regel zusammen mit den allgemeinen Daten ihrer Kunden auch detaillierte Angaben über genutzte Leistungen. Vermerkt wird etwa, wer wann welchen kostenpflichtigen Dienst abgerufen hat oder wer welche Diskussionsforen in den Netzen nutzt. Solche Daten zusammengeführt, zeichnen ein genaues Kommunikationsprofil der einzelnen Netzteilnehmer.
Die Verpflichtung zur Mitarbeit bei Anfragen der Sicherheitsbehörden ist im Verlauf der Diskussion um den Gesetzentwurf entscheidend ausgeweitet worden. Die Bundesregierung wollte diese Verpflichtungen für „gewerbliche Betreiber“ festschreiben – nach einer Intervention des Bundesrates kommen nun aber auch „geschäftsmäßige Betreiber“ hinzu, selbst wenn diese ausdrücklich keine „Gewinnerwerbsabsichten“ verfolgen. Betroffen davon sind vor allem die vielen Mailboxbetreiber. Und weil diesen auch die Kosten der für eine Überwachung notwendigen Installationen aufgebürdet werden, dürfte so mancher der meist ehrenamtlichen Mailboxanbieter die Segel streichen.
Sämtlichen Anbietern hinter der bundesdeutschen Ausfahrt des Information-Highways wird damit eine technische Mindestausstattung von drei Leitungen zugemutet: die ursprüngliche für den Kunden, eine für den unbemerkten Zugriff der Regulierungsbehörde auf die Kundendaten und eine, damit die gegebenenfalls vom Gericht angeordnete Überwachung eines Netzteilnehmers stattfinden kann. Das Gesetz hat in der Tat, wie der Referent beim Hamburger Datenschutzbeauftragten Peter Scharr erklärt, „eine überwachungslastige Schlagseite“. Wolfgang Gast
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