Musikalische Freunde in der Not

■ Vertreter der Chicago-Connexion trafen sich Montag im Logo

John McEntire ist ein vielbeschäftigter Mann. Der Schlagzeuger und Keyboarder ist gleichzeitig Mitglied bei The Sea and Cake, bei Tortoise und hilft auch schon mal bei Eleventh Dream Day aus – allesamt Bands aus Chicago (Illinois). Dennoch gerät er nicht ins Schleudern, wie sich überhaupt die drei Gruppen nicht in die Quere kommen, obwohl sie sich mit der gleichen Sache – der Neuformulierung von Popmusik und gleichzeitiger Überwindung dieser Kategorie – beschäftigen und es weitere personale Verbindungen gibt. Beim Konzert im Logo war sichtbar, daß sie die Kunst des Zusammen-Dranbleibens, ohne den anderen zu behindern, beherrschen.

Auch wenn Eleventh Dream Day nicht bei der Tour dabeisein konnten, offenbarte sich, wie in und zwischen Chicagos führenden Musikerkollektiven gearbeitet wird. Da wird nicht an der Oberfläche formale Gleichtönerei betrieben, sondern qua Tiefenstruktur die Fähigkeit zur (Selbst-)Referenzialität gezeigt.

The Sea and Cake, die am Montag abend als erste auftraten, hatten große Probleme mit sich selbst. Sänger Sam Prekop wirkte, als ob er vorher versucht hätte, sich mit Alkohol oder Dope selbst zu dekonstruieren. Die üblicherweise sympathisch schräge Eingängigkeit geriet etwas zu glatt, streckenweise arg brit-poppig, was nicht schlimm, aber fehlakzentuiert war. Doch Tortoise zeigten sich als Freunde in der Not. Ihre instrumentalen Kompositionen sind komplex und doch nicht Workshop-verdaddelt: Die Vertracktheit pustet einem ein „Jazz dauert lange“ durch den Schädel. Mit zwei Bässen und Schlagzeugern, Kuhglocke und Vibraphon stellte das Quintett die derzeitige Musikkultur komplett in Frage. Die meisten müssen sich nach dieser Demonstration von unendlich viel Können fragen, ob sie überhaupt noch weitermachen dürfen. Clemens Gerlach