„Ich bin Regionalist“

■ Luis Camnitzer will kein universaler Künstler sein

Luis Camnitzer wurde 1937 in Lübeck geboren, mußte 1939 emigrieren, wuchs in Uruguay auf und lebt seit 1964 als Kunstprofessor in New York. Zwischen einer Torte aus Rasierschaum und einer Welle im Handwaschbecken, neben von Zigaretten verunstaltetem Marilyn- Monroe-Pin-Up und einem Leichensack in der Hängematte sprach der internationale Künstler über Regionalismen und den Traum vom internationalen Stil.

Ihre Kunst findet durch die verschiedenen Kulturen immer wieder neue Ansätze. Wie würden Sie sich bezeichnen?

Ich bin ein Regionalist, universale Kunst ist nicht das, was ich verfolge.

Obwohl Sie seit 26 Jahren in New York, im Weltzentrum der Kunst, leben?

Aber ich bin kein US-Bürger und denke im Grunde noch an ein Publikum, das gar nicht existiert: an Uruguay vor 30 Jahren. Das ist vielleicht etwas romantisch. Ich versuche jedenfalls nicht wie ein normaler Künstler in New York, das nordamerikanische Publikum auszupsychologisieren und zu sehen, wie komme ich da an. Da gibt es Konventionen, die im Grunde sehr lokal und provinziell sind und die man verfolgen muß, um durchzukommen.

Das Zentrum ist also selbst nur ein spezieller Regionalismus. Zerfällt das Monster Weltkultur nicht sowieso zur Zeit in einzelne Kulturen, gerade auch in den USA?

Die Frage ist, wie weit ist die Kunst Kultur oder ein kommerzielles Produkt. Normalerweise wird das für synonym gehalten. Ich empfinde mich genau wie die Mitglieder von Minderheiten als Kulturmacher. Der Markt aber wird nur die Sachen annehmen und verdauen, die dem Markt helfen. Und so werden auch die abgelegensten Minderheiten ausgebeutet. Es entstehen kulturelle Zwitter, instabile Persönlichkeiten, es gibt eine hybride Situation beidseitiger Mißverständnisse.

Ist Mischung nur negativ?

Nein, das ist eine andere Art von Kommunikation, die nur immer dann mißverstanden wird, wenn sie ausschließlich von der einen oder anderen Seite gelesen wird. Es ist an der Zeit, die speziell eigene Sprache dieses Zwitters zu verstehen. Die Postmoderne ist ein für dem Markt manipulierter Begriff, aber im Grunde gab es das schon lange in der Dritten Welt als Synkretismus. Der Traum vom internationalen Stil ist gescheitert, die Postmoderne ist der Versuch, ihn weiterhin zu behaupten, indem nun Versatzstücke aus anderen Kulturen zugelassen werden.

In welcher Sprache denken Sie?

Meist in Spanisch, aber immer mehr Englisch schleicht sich ein. Deutsch ist eigentlich nur eine Sprache innerhalb der Familie.

Was ist der Kern Ihrer Arbeitsweise?

Ich versuche, die verschiedenen Ebenen in einem Werk zu schichten. Das Politische ist immer dabei, aber nicht notwendig an erster Stelle. Ich setze die Konditionen wie im Theater und hoffe, daß dann für den Betrachter ein Spiel beginnt.

Haben Sie ein Vorbild?

Jorge Luis Borges hat mich sehr beeinflußt. In seiner Geschichte Das Aleph gibt es einen Punkt, in dem alle Bildnisse des Universums zur selben Zeit zu sehen sind. So etwas suche ich: einen Punkt an der Wand, in dem alles zu sehen ist. Damit hätte der Künstler seine größte Macht. Die interessiert mich aber nur, um sie demokratisch zu teilen: als Lehrer. Fragen: Hajo Schiff