Piraten gegen Pfeffersäcke

■ Drei Hamburger gehören zur stillen Zunft der Spiele-Erfinder

Das „Spiel des Jahres“ hat zwar noch kein Autor aus Hamburg erdacht – dennoch gehören drei Hanseaten zur erlesenen Zunft der Spiele-Erfinder: der Lehrer Tom Schoeps, der Newcomer Christoph Cantzler und eine der wenigen Frauen in diesem Metier, Edith Schlichting.

Bis vor wenigen Jahren hielten die meisten Verlage es nicht einmal für nötig, zumindest die Namen der Autoren auf die Schachtel zu drucken. Langsam aber avancieren die Urheber der Ideen für die Gesellschaftsspiele zu „stillen Stars“ in der Szene. Tom Schoeps, im Hauptberuf Studienrat für Deutsch und Biologie und mit elf veröffentlichten Spielen inzwischen einer der Etablierten, schränkt allerdings ein: „Existieren könnte ich von meinem Hobby nicht, schließlich muß ich eine Familie ernähren.“ In Deutschland gibt es nur rund ein Dutzend hauptberufliche Kreative, die von ihrem spielerischen Erfinderreichtum leben können. Die großen Verlage wie Ravensburger oder Schmidt zahlen einem Autor in der Regel zwei bis drei Prozent des Händlerpreises.

Einmal wäre Schoeps fast der große Wurf gelungen: „Vor vier Jahren galt Bauernschlau, ein Denkspiel für zwei bis sechs Personen, als Favorit zum ,Spiel des Jahres'. Leider war es knapp unterlegen.“ Woher nimmt er seine Ideen? Der 44jährige lächelt: „Entstanden ist beispielsweise Bauernschlau, weil ich ein Spiel machen wollte, in dem Schafe die Hauptakteure sind. Dazu muß man wissen, daß der Name Schoeps aus dem Ostpreußischen stammt und mit Schaf übersetzt werden kann.“

Der jüngste Coup des umtriebigen Gymnasiallehrers ist ein im Hamburger Queen-Carroms-Verlag erschienenes Spiel mit maritimem Thema: Die Hanse. „Zunächst habe ich mich in die Geschichte des Mittelalters reingewühlt, um im Spiel die damalige Zeit spiegeln zu können“, erklärt Tom Schoeps. Herausgekommen ist ein aufwendig gestaltetes Werk mit Verhandlungs- und Pokerelementen.

Hanseatische Pfeffersäcke treiben mit Hilfe von Koggen, die durch Nord- und Ostsee schippern, Tauschhandel – zur Freude der von Helgoland oder Rügen in See stechenden Piraten. „Ich muß mich aber bei den Stadern entschuldigen, daß ihre Stadt im Hansespiel nicht auftaucht“, heizt Schoeps die mittelalterliche Konkurrenz zwischen Hamburg und Stade von neuem an.

Ausgefallene Ideen brütet auch Christoph Cantzler (26) in seiner weiß getünchten und spartanisch eingerichteten Altbauwohnung in Altona aus. Der gescheiterte Politologiestudent ist noch auf der Suche nach einem Herausgeber für sein Brettspiel Mit Gewalt geht gar nichts. Cantzler: „Es ist ein kooperatives Konkurrenzspiel. Wenn man nur gegen den anderen spielt, hat man keine Chance zu gewinnen.“ Ob Zauderer oder Wüterich, der Charakter der Mitstreiter tritt dabei recht gut hervor.

„Mein Ehrgeiz war es, ein einfaches, überschaubares Taktikspiel zu entwerfen – ohne viel Schnick-Schnack“, gibt der vielseitige Hamburger seine Marschroute vor.

„In meiner Freizeit zocke ich stinknormal Karten, am liebsten Skat“, überrascht er seine Zuhörer. „Aber wer denkt, ich sei spieleversessen, der irrt. Die meisten Spiele sind mir zu anstrengend. Deshalb habe ich das Regelwerk auch von Querele und Tabula Rasa, die beide noch unveröffentlicht sind, einfach gehalten.“

Seit 1966 entwickelt die Bürokauffrau Edith Schlichting Brett- und Legespiele, vor allem für Kinder. „Die Jüngsten spielen völlig anders, als Erwachsene glauben. Ihre Welt ist viel kleiner, und deshalb sind sie mit viel größerer Intensität dabei. Gerade für Drei- bis Sechsjährige gibt es kaum etwas. Diese Lücke wollte ich mit Sieben Sachen schließen“, sagt die engagierte Autorin über ihr im Selbstverlag herausgegebenes Kinderspiel mit Memory-Elementen.

Bei einigen ihrer Schöpfungen wie Elefantendressur oder Schatzsuche im alten Burggraben hat Edith Schlichting die Spielsteine selbst bemalt und mit Stempeln bedruckt. Auch bei geringen Auflagen ein enormer Aufwand. Ihr erfolgreichstes Spiel Clown ist seit 20 Jahren beim Otto-Maier-Verlag (Ravensburg) im Programm. Sie hatte es ursprünglich für den 1965 geborenen Sohn entwickelt.

Volker Stahl