Nicht für fünf Pfennig sexy

■ Andreas Dorau, der heute auftritt, versteht sich nicht als Bär

Er gehörte zu den tragisch glänzenden Figuren der Neuen Deutschen Welle. „Fred vom Jupiter“ hatte den 16jährigen Andreas Dorau 1980 zum ersten Mal verwandelt. Fortan galt er nicht wenigen als halborigineller Spaßmacher, etwa so lustig wie der Komödien-Schauspieler Georg Thomalla, hätte der in einer seiner Szenen Marsbewohner empfangen sollen. Auf putzige Art machte Dorau es kaum jemandem recht: Keine „Szene“ machte ihn zum Sprecher, kein Diskurs klaubte sich aus seinen Texten die Bonmots zur Diskussionseröffnung, und doch nahm da ein sehr junger Mann wunderbar verspielte Platten und mit dem Palais Schaumburg-Sänger Holger Hiller die rasante Oper Die Hose auf. Der Zweihundertsassa bekam die Verhärtungen des Postpunk zu spüren. Die taktischen, demonstrativen oder heißspornigen Abgrenzungslinien zu vielen und vielem wollte er nicht ziehen. Einen Zitat-Pop-Musiker vermochten die meisten noch nicht in ihm zu entdecken. Dorau verhielt sich im damaligen Sinne vermeintlich „peinlich“. Was er tat, eignete sich dazu, auf eine Art über ihn zu lachen, die sicherstellte, nicht mit so einem verwechselt zu werden.

In der zweiten Hälfte der Achtziger entdeckte der abgeschlossene Filmhochschüler mit seinem Kompagnon Thommy Eckart House-Musik. Mit dem in diesem Jahr erschienenen Album Neu! begegnet uns der Sänger Andreas als gereifte Hoffnung, die mit großer Effizienz „Lieblingsausdrücke“ wie „Angenehm stumpf“ ins Mikrofon haucht. Zum Interview legte sich ein etwas erkälteter, kleiner musician's musician in ein Hotelbett.

taz: Gibt es für dich einen Unterschied zwischen „anders sein“, sich „anders ausdrücken“ und „etwas zu sagen haben“?

Dorau: Alle drei Dinge meinst du? Nein, das sind doch grundsätzlich ganz verschiedene Dinge. Für mich geht es eigentlich darum, die Welt mit etwas zu bereichern, was sie noch nicht hat. Man kann ja auch eine Rock-Platte machen, aber damit hat man ja noch keine „andere“ Platte gemacht. Ich habe mit der letzten Platte angefangen, Stücke auf Samples aufzubauen, ohne daß als Ergebnis gleich wieder die Genres HipHop oder House herauskommen.

Wunderst du dich eigentlich über die Reaktionen?

Ich wundere mich ziemlich oft, wenn sich andere Leute wundern.

Ist „Tausend Blüten“ ein Drogen-Stück?

Charlotte Goltermann von der Plattenfirma L'age d'Or hat das auch gedacht, es ist aber überhaupt kein Drogenstück. Kein einziges Mal während des Entstehungsprozesses habe ich gedacht, daß das Lied mal so aufgefaßt werden könnte.

Wenn ich das Stück höre, denke ich, daß es dir immer noch an einer bestimmten Skurrilität gelegen ist.

Skurrilität allein bringt überhaupt nichts. Skurril ist es für mich, ein Stück zu hören, das ich fünf Minuten interessant finde, und mich dann entschliesse, daß ich auch etwas machen möchte, daß fünf Minuten interessant gefunden wird.

Die ganze englische Popmusik ist voll Skurrilität und Schrulligkeiten. Mit ihr und mit ein paar zusätzlichen eigenen Elementen kann man sehr lange sehr fröhlich werden.

Könnte man sagen, daß du im Augenblick die Rolle eines aufregenden Bussi-Groove-Bärs spielst?

Von einem Bär kann ich äußerlich im Augenblick noch gar nichts an mir finden. Dein Eindruck hat vielleicht damit zu tun, daß Neu! meine mit Abstand langsamste Platte ist. Ich wollte keine Club-Platte machen, weil die mit deutschen Texten für DJs nicht funktionabel ist. Also haben wir uns entschlossen, die Geschwindigkeit niedrig zu halten.

Ist die Platte dadurch sexier geworden?

Sexy ist meine Platte, glaube ich, nicht für fünf Pfennig.

Kristof Schreuf

Neben Dorau werden bei diesem Event (22 Uhr, Große Freiheit) auch Bungalow – das Duo Mense Reents und Jimi S.D. – dabei sein. Last but not least sorgt das Whirlpool DJ Team (u.a. Hans Nieswandt) für Bewegungsmusik vom Turntable.