Schwule Schmuggler

■ „Celluloid Closet“: Wie Hollywood die Homosexualität bekämpfte und wie sie dennoch in den Filmen auftauchte

Meistens benutzte Hollywood schwule Filmfiguren dazu, billige Lacheffekte zu erzielen. In den 50er Jahre etwa stelzte „Sissy“ mit einem Moustache und lavendelfarbenen Kimonos durch Salons und hatte Migräne. Als Klischee ohne Sexualität bot sie für alle heterosexuellen Zuschauer nur Vorteile in ihrer Selbstkonstitution: Frauen durften sich weiblicher fühlen und Männer eben männlicher.

Der Film Celluloid Closet, der die Rollen von Lesben und Schwulen in Hollywoodfilmen untersucht, verurteilt diese Repräsentation von Schwulsein aber nicht. Die Filmemacher Ron Epstein und Jeffrey Friedman ließen unter den zahlreichen Interview-Partnern auch die „Sissy“ Harvey Fierstein zu Wort kommen, der es vorerst genügte, überhaupt auf der Leinwand zu erscheinen. „Denn Schwule“, so Fierstein, „lechzen wie alle Minderheiten nach Repräsentationen von sich und möchten unbedingt etwas finden, sei es noch so klein.“

Basierend auf einem Buch des schwulen Aktivisten Vito Russo verfolgt Celluloid Closet unverkrampft schwule Bilder durch die Jahrzehnte. Während Anfang der 60er Jahre im britischen Kino mit Dirk Bogarde bereits der erste schwule Kinoheld stand, waren homosexuelle Männer in Hollywood allenfalls selbstmordgefährdete Outlaws, die mit ihrem Schicksal rangen und stets – meist mit dem Tod – bestraft wurden.

Erst in Die Harten und die Zarten (1970) durften die sieben schwulen Hauptdarsteller überleben und Cabaret feierte zwei Jahre später Homosexualität umstandslos.

Die nächste Hürde der Filmemacher war die Darstellung von schwulem Sex. Im Vorspann von Making Love (1982) sah Hollywood sich noch genötigt, das Publikum vor dem Treiben der Männer zu warnen. „Weibliche Homosexualität“, meint Susan Sarandon, die in Begierde und Thelma & Louise weibliche Homosexualität ausagierte, „wird kaum ernst genommen. Männliche hingegen wirkt auf Männer bedrohlich. Weil die Bosse in Hollywood das Sagen haben, wird sie eben verboten.“

Dabei ging es in den 20er Jahren noch hoch her auf der Leinwand, bis die „Kirchliche Liga für Schicklichkeit“ mit der Schließung der sittenverderbenden Lichtspielhäuser drohte. Hollywood mußte einlenken. Im Hays Code wurde klipp und klar festgeschrieben, daß „sexuell Perverse“ allenfalls als Bösewichter fungieren dürfen.

Doch die Regisseure schrieben zwischen den Zeilen, und die Zuschauer schauten zwischen den Bildern. In diesem Sinn stellen Epstein/Friedman das Motiv des Regisseurs als Schmuggler im Studio-System dar.

Celluloid Closet ist nicht nur eine faktenreiche, mit illustren Interviewpartnern angereicherte Filmgeschichte der Homosexualität, sondern wirft darüber hinaus ein deutliches Schlaglicht auf die Moralvorstellungen der US-amerikanischen Nachkriegsgesellschaft.

Volker Marquardt

Sa, 15., 23 Uhr und So, 16. Juni, 21.15 Uhr, Metropolis