Die alte Dame der Alternativkultur

■ Das erste sogenannte Kommunikationszentrum Deutschlands, die Fabrik, feiert am Wochenende ihr 25jähriges, wechselvolles Bestehen Von Till Briegleb

Früher hieß es, vorher gratulieren bringe Unglück. Aber die Fabrik in Ottensen ist sich wohl so sicher in ihrer Beständigkeit, daß sie alte Volksregeln in den Wind schlagen kann. Zehn Tage vor dem offiziellen 25. Geburtstag feiert Deutschlands erstes „Kommunikationszentrum“ an diesem Wochenende gemeinsam mit der Motte (20 Jahre) und dem Kunstwerk (10 Jahre) Jubiläum.

Die Fabrik, eröffnet am 25. Juni 1971, hat in dieser Zeit den Wandel von einer Pioniereinrichtung, die Vorbild für viele ähnliche Einrichtungen im In- und Ausland wurde, zu einem geliebten Relikt vergangener Kulturbegriffe durchlebt.

Der Elefant als Symbol der Beständigkeit

Als der Maler Horst Dietrich und der Architekt Friedhelm Zeuner mit ihrer multikulturell-sozialen 68er-Haltung und enormem Enthusiasmus die bösen Geister aus der ehemaligen Munitionsfabrik an der Barner Straße vertrieben und die Basilika in einen Hort der Kreativität verwandelten, gab es für derartige Experimente keine unmittelbaren Vorbilder. Inzwischen sind die wilden Anfangsjahre vielen aus dem Gedächtnis verschwunden und die Kids, die heute bei Offspring auf dem Betonfußboden herumhüpfen, haben keine Ahnung mehr, daß hier einst heute über Dreißigjährige beim sonntäglichen Frühschoppen mit Croques und Skiffle-Musik auf den Knien herumgerutscht sind und Bilder gemalt haben.

Mit der Beständigkeit, die in dem Elefanten über der Bühne ihr herziges Symbol hat, ist es allerdings noch nicht so lange her. Immer wieder gab es Krisen, die gelegentlich an die Existenz gingen. Da ist als erstes der Brand zu nennen: Am 11. Februar 1977 wurde das ursprüngliche Fabrikgebäude durch Flammen vollständig zerstört. Nach diversen kulturpolitischen Kämpfen wurde das Gebäude für circa 5 Millionen Mark originalgetreu rekonstruiert und am 28. September 1979 wiedereröffnet.

Aber auch Richtungsstreits, anfänglich zwischen Dietrich und Zeuner, später zwischen Dietrich und Mitarbeitern, die die notwendige „Kommerzialisierung“ der Fabrik aus ideologischen Gründen ablehnten, wirbelten viel Staub auf. Da Dietrich die Schulden persönlich zu verantworten hatte, setzte er sich immer wieder durch – die Geg-ner wurden entlassen.

Feuer, Gaddafi und Kesseltreiben

Dazu kamen immer wieder Querschüsse von Politikern, denen das damals noch alternative Zentrum ein Dorn im Auge war. Die politischen Anfeindungen gipfelten in der „Gaddafi-Affäre“. Mittelsmänner hatten nach dem Brand Dietrich Millionen zum Wiederaufbau angeboten, ohne den Absender zu nennen. Später kursierte in der Hamburger Bürgerschaft ein Papier, nachdem Dietrich sich vom libyschen Revolutionsführer sponsern ließe. Dies war Ende der Siebziger Jahre ein willkommener Anlaß, ein konservatives Kesseltreiben zu eröffnen.

Inzwischen ist die Fabrik längst ein Argument der Hamburger Tourismuswerbung, und obwohl dort immer noch Kinder- und Jugendarbeit für den Stadtteil betrieben wird, nehmen die meisten Hamburger sie nur noch als den Jazz-, Punk- und Ethno-Stollen im Konzertgeschäft wahr. Zwar finden immer noch gelegentlich Theaterstücke hier Platz, aber die Zeiten, wo Luc Bondy hier seine Welt-Karriere als Theaterregisseur begann, Film-Foren und Kunst fester Bestandteil des vagabundierenden Kunstbegriffs der Betreiber darstellten und die Fabrik der Ruch der „Avantgarde“-Kultur hatte, sind längst passé. Das kann man bedauern, aber so sind die Realitäten des Marktes.

Die nostalgische Bindung an das Ottensener Haus ist dagegen für viele noch immer sehr stark. Das liegt sicherlich mit daran, daß der unbequeme Charme aus Holz und Beton sich mit Erinnerungen an die Zeiten vollgesogen hat, als alternative Kultur noch das Signet trug: „Mensch, ist das gemütlich.“ Doch schließlich brauchen auch die Nostalgiker ihren Ort, oder möchte jemand Michael-Naura-Typen bei einem Techno-Rave haben?

Aber natürlich ist die Fabrik noch immer eine wunderbare Nische, wo man Musik hören kann, die nirgendwo sonst erschallt. Neben dem Jazz- und Ethno-Reservat beherbergt sie vor allem Neo-Punker und die ledrigen Helden des Rhythm'n'Blues. Jedem, dem dafür das Herz bumpert, wird die Fabrik damit „unvergeßliche Stunden“ geschenkt haben. Und das wird wohl auch so bleiben.