Athener nach Bremen tragen

■ Ausgrabungen am Sodenmattsee: Vom Reiz einer schwarzen Schicht im gelben Sand

Ein Witz: Kommt ein Grieche nach Bremen, eine Ausgrabung vorzunehmen.

Wenn ein Grieche bei sich zu Hause buddelt, gräbt er alsbald ein Haus aus, Stallungen, Feuerstellen, Tonkrüge und Gold. Wenn ein Grieche in Bremen buddelt, freut er sich über eine dünne schwarze Schicht im gelben Sand. Fünf Athener haben derzeit unweit des Sodenmattsees in Huchting Gelegenheit, die bescheidenen Freuden der Archäologie Norddeutschlands kennenzulernen. Sie arbeiten im Rahmen eines EU-geförderten Praktikums auf einer Ausgrabungs stätte des Bremer Landesarchäologen mit.

Auf dem eiszeitlichen Sand beim Sodenmattsee will die Wohnungsbaugesellschaft Gewoba demnächst lauter Häuschen bauen. Solche Wünsche rufen in Bremen automatisch den Amtsarchäologen auf den Plan. Denn wo auch immer in Bremen jemand buddelt, er hat beste Chanchen, schwarze Schichten und auch mal eine Scherbe durcheinanderzubringen. So viele Siedlungen schlummern noch unter der Bremer Grasnarbe.

Am Sodenmattsee, schon seit vielen Jahren als Fundort von 1500 Jahre alten Scherben bekannt und gern von Hobbyarchäologen frequentiert (illegal!), wird seit letztem Jahr eine Sachsensiedlung ausgegraben. Damals fand man zum Beispiel einen Brennofen, in dem die Altvorderen ihr Eisen kochten. Seit zwei Wochen ist ein Trupp von Archäologen und Hilfskräften wieder an der Arbeit. Sie durchziehen die Wiesen mit „Suchgräben“. Grabungsleiter Witte findet die Ausbeute an Einzelstücken zwar „eher mau“. Doch sein Interesse gilt auch mehr der ganzen Siedlung.

60 bis 70 Zentimeter grauen Sandes müssen abgetragen werden, dann kommt der gelbe Sand, derselbe, der hier vor 1500 Jahren oben lag. Einen Brunnen hat man schon gefunden, kreisrund und schwarz verfärbt – das kommt von dem Geflecht, mit dem die Innenwand abgestützt war. Witte hofft, daß er noch erhaltene Reste dieses Geflechts finden kann; vielleicht muß man aber noch knapp zwei Meter des Brunnens ausgraben. In einem anderen Suchgraben entdeckte man quadratische und runde Verfärbungen des Sandes: letztere sind Mausegänge; erstere waren einmal die Pfosten von Häusern. Die schwarze Schicht nebenan aus Holzkohle und Eisenschlacke weist auf einen künstlich angelegten Graben hin. Rostige Eisenstücke und mehrere Webstuhlgewichte komplettieren die bisherige Ausbeute. Und eine schöne Scherbe hat Witte auch in der Hosentasche: ein Stück Tongefäß, hübsch verziert mit kleinen netzförmigen Stempeleindrücken.

Über die Menschen, die hier einmal Wasser aus dem Brunnen holten und aus Eisen Waffen und Ackergerät herstellten (rostige Stücke wurden auch gefunden, aber noch nicht identifiziert), weiß man recht wenig. Von den Römern wurden sie „Chauken“ genannt, ab etwa 300 n.Chr. bezeichnet die Archäologie sie aufgrund von Fundstücken als „Sachsen“. Ob die Sachsen aber von der anderen Elbseite eingewandert sind oder auf eine andere Weise ein Kulturaustausch stattgefunden hat – man weiß es nicht. Unwahrscheinlich ist eine Eroberung durch die Sachsen – Herr Witte würde dann eingeschlagene Schädel erwarten.

In Grambke, Hemelingen, Mahndorf, an insgesamt über 15 Stellen in Bremen sind solche Siedlungen bekannt bzw. schon ausgegraben. Bremen war eben einmal ein bedeutender Schnittpunkt wichtiger Verkehrswege: Bis hier waren die Gezeiten wirksam, hier trafen sich also Binnenschiffer und Seeschiffer. Und der wichtige Handelsweg von Holland/Westfalen zur Ostsee/Schweden kam über Wildeshausen und Delmenhorst, ging mitten duch Bremen, dann um das Teufelsmoor herum durch Bremervörde Richtung Elbe.

Natürlich und wie immer in solchen Fällen arbeiten die Archäologen gegen die Uhr. Noch in diesem Jahr wird die Gewoba eine Erschließungsstraße bauen. Danach werden die Bauarbeiter die Archäologen vor sich hertreiben. Ausgrabungsleiter Witte sagt, er könnte noch leicht vier oder fünf Jahre hier graben. „Wenn ich könnte, würde ich hier die ganze Fläche aufmachen und vollständig erfassen.“ Wie gut, daß es die Gewoba gibt. Denn diesen Traum könnte niemand bezahlen. BuS