: Kujaus Kladden
■ "Skandal! Die großen Affären", Sonntag, 22.15 Uhr, ZDF
Als „größten journalistischen Coup der Nachkriegszeit“ hatte der Stern die Geschichte im April 1983 angekündigt und vollmundig gefordert, die deutsche Geschichte müsse in großen Teilen neu geschrieben werden. Was bekanntlich so nicht stimmte.
Nun haben Recherchen des ZDF ergeben, daß die Geschichte der Hitler-Tagebücher möglicherweise neu geschrieben werden muß. Für die am Sonntag beginnende vierteilige Serie „Skandal! Die großen Affären“ hat der Münchner Autor Maurice Philip Remy die 13 Jahre zurückliegenden Ereignisse rekonstruiert. Und kommt dabei zu einer Neubewertung: „Der von Kujau betrogene Chefredakteur Heidemann ist zu Unrecht verurteilt worden. Er glaubte bis zur Aufdeckung der Fälschung an die Echtheit der Tagebücher und hielt auch Kujau für das Opfer eines Betrugs.“
Das Geld, das Heidemann vom Stern für den Ankauf erhielt, sei wahrscheinlich vollständig an Kujau gegangen, der sich damals Fischer genannt habe: „Kujau gehört in Deutschland nachweislich Immobilienbesitz in Millionenhöhe. Es gibt auch Verbindungen in die Schweiz.“ Heidemann hingegen hätte es gar nicht nötig gehabt, Geld verschwinden zu lassen. Er erhielt für jeden neu beschafften Tagebuchband von Gruner+Jahr eine Provision in Höhe von 30.000 Mark, insgesamt also 1,5 Millionen, zusätzliche Einzelprovisionen und sein reguläres Gehalt.
Für den ZDF-Film stellten sich die damaligen leitenden Stern-Redakteure Schmidt, heute unter anderem Produzent der Sat.1-Reihe „Talk im Turm“, und Walde, heute Chef bei „Radio Hamburg“, nicht zur Verfügung. G+J erlaubte den Kameraleuten immerhin das Abfilmen der Tagebuch-Kladden.
Einzige Kronzeugen für Remys Recherchen sind neben Interviews mit Heidemann und Kujau vor allem 395 Telefonmitschnitte, auf denen der Stern-Reporter seine Gespräche mit dem Fälscher festgehalten hatte. Weil die Telefonate illegal aufgenommen wurden, erkannte sie das Gericht im damaligen Prozeß nicht als Beweismittel an. Stefan Koldehoff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen