Und die Kühe pfiffen

Diesseits von Mottram Hall: Weil Mario Basler nicht zur Debatte steht, stellt sich Mario Basler zur Debatte  ■ Von Peter Unfried

Mottram Hall (taz) – Es war nach einer gemischten Woche gestern ein fast schöner Tag in Lancashire und Chester. Die Sonne machte die Bäume hellgrün, und die Kühe pfiffen sich eins. Die haben's gut, die haben mental keine Probleme. Mario Basler aber hat welche. „Im Hinterkopf ist da was, ganz klar“, sagte er. Nicht ganz so schlimm: „Ich fühle mich dadurch nicht behindert.“

Basler wird nicht spielen am Sonntag. Das ist die große Überraschung. Allerdings nur für Mario Basler. Denn Basler ist nicht fit. Zwei Einheiten hatte er in den letzten sechs Tagen gemacht. Donnerstag, berichtete Vogts, bestand sein Trainingsumfang aus acht Läufen. „Acht Läufe“, hat Vogts gestern mehrmals gesagt, und daß ihm Mario „Sorgen mache“. Was „das Körperliche anbelangt“.

Es ist so, daß EM ist – und daß ein Fußballer spielen will. Verletzungen werden da gerne verdrängt. Daß Basler aber überhaupt nicht zur Debatte steht, still danebenstehen soll, wie Schneider, Bode und Reck – das geht ja auch nicht.

Es ist eben auch so, daß Mario Basler zwar 27 Jahre alt, aber auch ein Kindskopf ist. Einer, der immer betont, daß man ihn nicht streicheln muß, und sich nichts sehnlicher wünscht, als daß man es tut.

Und es ist schon lange kein Geheimnis: Basler ist nicht Vogts' Mann – und Vogts folglich nicht der von Basler. Der Spieler weiß, daß sein Trainer ihm nicht über den Weg trauen kann. Wenn man innerhalb des Systems argumentiert, muß man sagen: Basler beweist ihm stets aufs neue, daß er recht hat. „Wir wissen alle, wie Mario ist“, sagt Vogts immer, und daß er über ihn lachen könne. Aber es geht hier um das höchste Gut des deutschen Teams: die Disziplin und die wohlgehütete Ruhe, an die sich bisher alle gehalten haben, selbst Mehmet Scholl, der nun wirklich Ansprüche stellen könnte. Und dann kommt Basler und klagt in verständlicher, aber unkluger Frustration seine wenigen Wortkontakte zum Trainer gegen jene zahlreichen ein, die er zwischen Vogts und Häßler beziehungsweise Möller beobachtet hat.

Drum hat ihn der Chef zu sich aufs Zimmer gepfiffen und ihm ein paar Sachen erzählt. Und danach mußte er ganz klein zum Häßler und sich dafür entschuldigen, daß er auf die Idee gekommen war, dem täte ein Päuschen auch mal gut.

Basler ist und bleibt nicht zu kalkulieren. Auf dem Platz – und daneben sowieso. Und er hat längst mitgekriegt, daß Vogts ihn, wenn es einigermaßen läuft, nicht recht brauchen kann. Weil er zwar „ein guter Fußballer“ ist, aber sich kein Planquadrat für ihn auftreiben läßt. Und ihm die rechte Seite allein zu übertragen ist Vogts viel zu riskant. Damit droht das ganze Team aus der Balance zu geraten.

Na, die Stimmung in Mottram Hall ist trotz der kleinen Aufregung „gut“, hat sich DFB-Delegationsleiter Gerhard Mayer-Vorfelder berichten lassen, der nun auch dazugestoßen ist. „Berufliche Verpflichtungen“ hatten ihn in der Heimat aufgehalten. Der Kapitän Klinsmann kommt gegen die Russen zurück. Und sonst? „Alle wissen“, sagt Vogts, „daß Eilts gut gespielt hat.“ Und was den zweiten Stürmer anbetrifft, den darf Bobic („besser als im Wettkampf“) eher nicht, aber dafür vielleicht Kuntz („brennt“) oder Bierhoff („Fortschritte“) arbeiten.

„Es können nur elf spielen“, sagte Dieter Eilts gestern und „Gott sei Dank“ sei jeder so gefestigt, das zu akzeptieren. Und Basler? „Durch solche Sachen“, findet Eilts, „lassen wir uns nicht aus der Ruhe bringen.“ Doch das läßt er sich bekanntlich sowieso nicht. Und ein Trost bleibt Basler freilich: „Wenn ich nicht auf der Bank sitze“, hat er ultimativ gefordert, „wäre ich vom Bundestrainer sehr enttäuscht.“ Die gute Nachricht: Er kann, „wenn er fit ist“, sagt DFB-Pressechef Niersbach, sehr wahrscheinlich morgen in Old Trafford auf der Bank sitzen. Kein Spieler muß bei dieser EM auf der Tribüne sitzen. Auch da gibt es für Basler wieder keine Extrawurst.