„Wir wollen eine Gegenmacht“

■ Zwischen Radikalforderungen und Desinteresse: StudentInnen und die Großkundgebung in Bonn

Als DGB-Chef Schulte für den 15. Juni die „machtvollste Aktion der deutschen Gewerkschaften in der Geschichte der Bundesrepublik“ ankündigte, erwähnte er nicht, daß die Initiative dazu von studentischer Seite kam. Dabei waren es studentische Gruppen gewesen, die sich im Dezember vergangenen Jahres zu einem ersten Arbeitskreis zusammengeschlossen hatten, aus dem dann das „Bündnis Sternmarsch gegen Sozialabbau“ wurde. Erst Mitte Mai machte auch der DGB mobil – nachdem Kanzler Kohl das Sparpaket verkündet hatte.

„Wir haben den Sternmarsch nie als spezifisch studentisches Projekt begriffen, sondern von Beginn an versucht, sämtliche Gruppen einzubeziehen“, meint Jörg Prante vom Asta der Uni Bonn. Prante wirkt gequält. Für heute werden zwar 400.000 Demonstranten erwartet, doch wahrscheinlich nur 20.000 von ihnen kommen aus den Hörsälen.

In der Vormachtstellung des DGB bei der Demo sieht Prante den Knackpunkt für die fehlende Resonanz unter den Studierenden. „Es gibt da ein wohlwollendes Desinteresse.“ Tatsächlich halten viele Abstand zur Großdemo. Für den Physikstudenten Stefan ist die ganze Sache schlicht falscher Idealismus: „Das ist doch super verlogen. Die interessiert doch nicht wirklich, ob da einer fünf Prozent mehr oder weniger Lohn kriegt. Mir kann doch kein Politiker oder Gewerkschafter weismachen, daß er sich wirklich für die Belange der Bürger einsetzt.“

Andere dagegen haben mit dem Sozialstaat sowieso nichts am Hut: Henrik, 24, studiert Jura und würde nicht nur Studiengebühren, sondern am liebsten gleich „Anwesenheitspflicht und Scheinkontrolle einführen, damit die Bummelstudenten und Faulenzer endlich aus den Unis verschwinden“.

Die studentischen Organisatoren des Sternmarsches dagegen haben schon etliche Kämpfe mit dem DGB hinter sich. Nach kritischen Äußerungen zum angeblichen gewerkschaftlichen Schmusekurs mit der Regierung kündigte der DGB kurzerhand die Zusammenarbeit auf. Die Leute vom buntgewürfelten Sternmarsch-Bündnis dürfen jetzt auch eine DGB-finanzierte Bühne nicht mehr mitbenutzen. Zu den Unterstützern des Sternmarsch- Bündnisses gehören nicht nur viele Asten, sondern auch Dutzende von Arbeitslosengruppen, Antifa- Gruppen, Jugendorganisationen der Parteien und Fraueninitiativen.

Vielen in dem buntgewürfelten Zusammenschluß sind die Gewerkschaften längst zu zahm geworden. „Wir wollen eine wirkliche Gegenmacht. Der DGB- Vorsitzende Schulte aber will mit der Demo nur Druck erzeugen, um dann wieder an den Verhandlungstisch mit Regierung und Arbeitgebern zurückkehren zu können“, sagt Ulf Petersen, Sprecher des Sternmarsch-Bündnisses. Von Konsensgesülze mit den Machthabern hält Petersen nichts. „Wir fordern: keine weiteren Kürzungen. Geld ist genug da. Es ist nur in den falschen Händen.“ Christian Stahl/BD