Zustimmung in Sicht

■ Doch vor allem im Osten regt sich Unmut über den Schlichterspruch

Bochum (taz) – Der Vorsitzende der Gewerkschaft ÖTV, Herbert Mai, rechnet damit, daß die große Tarifkommission seiner Gewerkschaft in der kommenden Woche dem Schlichterspruch zustimmen wird – „trotz Unzufriedenheit an der einen oder anderen Stelle“, sagte er gestern in Bochum. Bei einer ersten Diskussion sei deutlich geworden, daß die Mehrheit den Spruch unter dem Strich als positiv werte. Vor allem bei den ostdeutschen Gewerkschaftern gebe es wegen der Blockadehaltung der Arbeitgeber bei der Einkommensangleichung aber „großen Unmut“.

Der Schlichterspruch läßt hier nur einen Minischritt zu. Ab 1.9. 1997 soll das Einkommen im Osten lediglich um ein Prozent auf dann 85 Prozent des Westniveaus steigen. Da sind andere Branchen zum Teil viel weiter. Während die Sparkassenangestellten bei 89 Prozent liegen, sieht der Metalltarifvertrag ab Oktober 1996 schon 100 Prozent vor. Für die ÖTV-Spitze liegt das Ergebnis „an der Schmerzgrenze“. Daß die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall unangetastet bleibe und auch die geforderte Verlängerung der Wochenarbeitszeit nicht komme, sei das Erfreulichste des insgesamt mageren Ergebnisses. Vor der Presse räumte Mai ein, daß die vereinbarten Einkommenserhöhungen zur Reallohnsicherung nicht ausreichen. Angesichts der Haushalts- und Wirtschaftslage sei aber nicht mehr herauszuholen gewesen.

Während Düsseldorfs Finanzminister Heinz Schleußer (SPD) von einem „tragfähigen Kompromiß“ sprach, kam aus den Reihen der Liberalen harte Kritik. Für den FDP-Bundestagsabgeordneten Otto Graf Lambsdorff bedeutet der Schlichterspruch, „daß wir weiter über unsere Verhältnisse leben“. Der Kompromiß sei ein „Abkommen der Arbeitsplatzbesitzer gegen die Arbeitslosen“. Solchen Einsatz für die Arbeitslosen hört man gerade aus dem Munde eines strafrechtlich geadelten Steuerhinterziehers gern. Walter Jakobs