Ein Signal der Stagnation

■ Habitat II markiert die Wende der Weltgipfel

Mit der Habitat-II-Konferenz in Istanbul ging gestern die letzte der großen UN-Konferenzen dieses Jahrhunderts zu Ende – und die erste, die keine spürbaren Impulse mehr zu geben vermochte. Die in Rio 1992 verabschiedete Agenda 21 hatte seinerzeit zusammengefaßt, was in langjähriger Arbeit erdacht worden war, und beschrieb offensiv einen neuen globalen ökologischen Konsens. Ähnliches galt, mit großen Abstrichen, auch noch für die Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995, als etwa zum Thema sexuelle Selbstbestimmung weitreichende Formulierungen gefunden wurden.

Von Istanbul hingegen geht, auch wenn große Rückschritte verhindert wurden, nur ein Zeichen aus: Die Welt ist sich uneins. Am Beispiel der Städte, in deren Straßen sinnbildlich wird, wie alles mit allem zusammenhängt, sind bei der Habitat II Stellvertreterkämpfe ums korrekte Wort geführt worden. Bis zur letzten Minute rangen die Delegierten um Formulierungen, die von Fassung zu Fassung immer inhaltsleerer wurden.

Für die Zukunft der Städte hat die Konferenz nicht viel gebracht. Dabei geht es nicht mehr nur um die alte Konfrontation Norden gegen Süden: Die G77, die Gruppe der „Dritte-Welt- Länder“, spricht nur noch selten mit einer Stimme. Zu beobachten ist vielmehr eine politisch-kulturelle Gegenwehr gegen die Gleichmacherei der ökonomischen Globalisierung: Nicht nur der Iran und der Vatikan versuchten die Habitat-Agenda immer wieder um spirituelle und kulturelle Werte zu ergänzen und unterschiedliche nationale Identitäten zu betonen. Je alternativloser sich die kapitalistische Wirtschaftsweise präsentiert, je mehr das Diktat des Marktes staatliche Lenkungsversuche abschüttelt und die Politik aus der Ökonomie herausdrängt, desto mehr reduziert sich die Politik aufs Ideologische.

Es ist gut, daß diese Konferenz vorerst die letzte dieser Art war. Die Probleme sind benannt, ein Teil der Lösungen auch. Die verschiedenen „Globalen Aktionspläne“ bilden zusammen fast so etwas wie einen Weltentwicklungsplan. Die ExpertInnen haben sich kennengelernt, die Netzwerke sind geknüpft. Jetzt muß um finanzielle Mittel und politische Durchsetzung gerungen werden. Dazu braucht es keine Weltkonferenz mehr. Bernd Pickert