Pferde, Fado, Volksmusik ...

■ ... und vieles mehr begeisterte Susanne Gläsz auf ihrem Zick-Zack-Lebensweg. Jetzt engagierte die Bremer Uni sie als erste Musikdirektorin. Ein Porträt von Ute Schalz-Laurenze

„Ich habe mich ja auf wer weiß was gefaßt gemacht, was in Bremen los ist, die Berichte von außerhalb sind nur negativ. Aber ich staune: Hier fließt der Verkehr und die kulturelle Szene ist offen, bunt und unglaublich vielseitig“. Die vierzigjährige Susanne Gläsz, einst Abiturientin des Kippenberg-Gymnasiums, kommt nach Aufenthalten in Hamburg, Zürich, Frankreich und Portugal als „Unversitätsmusikdirektorin“ nach Bremen zurück. Eine neu geschaffene Stelle, in diesen Zeiten? Die Initiative dafür geht auf den Musikpädagogik-Professor Klaus Mävers zurück. Der leitete das Universitätsorchester und setzte bei seiner Emeritierung die Schaffung einer halben Stelle für die Orchesterleitung durch. Mit Susanne Gläsz, die aus 64 BewerberInnen ausgewählt wurde, fiel die Wahl auf eine Kandidatin, die alles andere als einen geraden Karriereweg vorzuweisen hat.

Nun muß sie das Orchester leiten, eine universitäre Veranstaltung im Fachbereich Musik anbieten, akademische Festlichkeiten in der Universität ausstatten und ein fächerübergreifendes Seminarangebot machen. Das steht schon, trotz erst kurzer Einarbeitungszeit: In diesem Semester bietet Gläsz Gruppenimprovisation für Studierende aller Fachbereiche ab, nächstes Semester wird es Obertonsingen sein.

Dies alles mit einer halben Stelle? „Ich muß sehen, wie es geht. Im Augenblick arbeite ich 60 Stunden und mehr in der Woche, um alles aufzubauen. Aber das macht mir nichts. Die Stelle ist wunderbar und geradezu zugeschnitten für mich“. Wenn man sich den Lebenslauf von Susanne Gläsz vergegenwärtigt, kann man das nur bestätigen.

Ausgehend vom Schulmusikstudium mit den Nebenfächern Theologie und Philosophie studierte sie Geige, auch Barockgeige, in Hamburg. Dazu lernte sie Dirigieren in verschiedenen Kursen. 1986 verschlug es sie nach Zürich. Sie wurde dort Konzertmeisterin im Zuger Orchester und machte vor allem mit ihrer Geige auch Jazz und Volksmusik: „Wir haben auf Hochzeiten gespielt, dann auch Reggae und Tango für die jungen Leute“.

In der Praxis der Schweizer Volksmusik lernte sie eine ungebrochene und vor allem nicht rechtskonservative Tradition kennen, die es in Deutschland nicht mehr gibt. In Zürich rief sie auch Frauenmusikgruppen ins Leben und dann verschaffte sich ihre Sehnsucht nach praxisergänzender Theorie Raum: Als Stipendiatin der „Studienstiftung des deutschen Volkes“ promovierte sie 1991 in Zürich über „Die Rolle der Geige im Jazz“.

„Ich bin in meinem Leben immer den Dingen nachgegangen, die anstanden: jetzt stand eben Promovieren an“. Frei nach dem berühmten Motto „Der Weg ist das Ziel“ „mußte dann was passieren“. Sie gab in Zürich alles auf, tourte durch Südosteuropa und blieb drei Jahre lang in Portugal hängen. Verblüfft hört man, daß Susanne Gläsz Reiterin ist und dort Pferde trainiert hat: „Die Welt der Pferde und des Fado faszinierten mich unglaublich“. Der Fado: jener in Lissabon geborene, kehlige, unsäglich traurige Gesang der Portugiesen. „Auf dem Land allerdings ist er heiterer als in der Stadt“, sagt Susanne Gläsz, die ihn nicht nur singen gelernt, sondern seine Texte und Melodien gesammelt und aufgeschrieben hat.

Nun also ist Susanne Gläsz wieder in ihrer Geburtsstadt Bremen, weil „ich doch gemerkt habe: Ich bin Deutsche, auch kulturell“. Dabei wurde sie von vielen Seiten gewarnt. In Deutschland gebe es weder Stellen noch freie Arbeitsmöglichkeiten für Kulturschaffende. Tatsächlich empfindet sie ihre Berufung wie ein Märchen: „Ich bin erstmal zu meinen Eltern und eines Morgens stand im ,Weser-Kurier' die Ausschreibung dieser Stelle“.

Ihren ersten Ehrgeiz nach geglückter Berufung setzte sie daran, das Orchester komplett zu besetzen. Künftig soll die Uni für Konzerte mit Bläsern und Schlagzeug nicht zusätzliche Musiker einkaufen müssen. „Das ist mir nach einer Orgie von Telefonaten gelungen, da bin ich sehr stolz; wir sind jetzt 46 Orchestermitglieder“. Über die Funktion des Orchesters macht sie sich diffenzierte Gedanken: „Es ist ein Laienorchester, das heißt, das Spielen muß für die Leute eine Freude und ein Gewinn sein. Das Laienorchester wendet sich im Unterschied zum Profiorchester nicht in erster Linie ans Publikum“.

Am Donnerstagabend tritt – nach einem Konzert am Mittwoch in Bremerhaven – das Uniorchester unter der Leitung von Susanne Gläsz zum ersten Mal in der Bremer Hochschule für Musik auf. „Ich habe mir gedacht, wir machen was zum 149. Todestag von Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy. Nächstes Jahr zum 150. können dann alle anderen was machen“. Von Fanny steht auf dem Programm die Ouvertüre in c-Moll, die Fanny selbst in ihren Sonntagsmusiken aufgeführt hat. Und von Felix ist die berühmte Hebridenouvertüre zu hören. Das Orchesterprogramm wird ergänzt mit Chorliedern und Klaviermusik.

Auch in dieser Arbeit schlägt sich schnell ihr Doppelinteresse und ihre Doppelbegabung nieder: Theorie und Praxis. Ihr gleichzeitig angebotenes musikwissenschaftliches Seminar behandelt die Musik der Geschwister Mendelssohn. Mit Susanne Gläsz ist eine Persönlichkeit in die Stadt gekommen, die ihre Sinne und Ohren offenhält und für die es noch andere Dinge im Leben gibt als Musik zu machen. Nicht die schlechteste Voraussetzung, um Musik zu machen.

Konzerte: ittwoch. 20 Uhr, Schulzentrum Carl von Ossietzky Bremerhaven; Donnerstag, 20 Uhr, Konzertsaal der Bremer Hochschule für Künste in der Dechanatstraße