Gebührenordnung statt Barmherzigkeit

■ Kirchlicher Verein kassiert von Knacki volle Teilnehmergebühr für einen EDV-Kurs

„Ist ja schön, wenn Sie sich um menschliche Belange kümmern“, sagt der Herr in der Vermittlung der Evangelischen Familien-Akademie, EFA. Die für den Fall zuständigen Personen, Vorstandsvorsitzender Horst Jäger und Verwaltungsleiterin Frau Nitzer seien jedoch leider nicht zu sprechen. Das waren sie über mehrere Tage nicht. Der Antrag eines in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen Inhaftierten auf Ermäßigung seiner Kursgebühr erforderte offensichtlich längere interne Bedenkzeit. Seit Ende Mai verhandelt die EFA mit dem Inhaftierten.

Es geht aller Voraussicht nach um einen Betrag in Höhe von dreißig Mark. Der Häftling besucht einen EDV-Kurs bei der EFA. Bis zu dreißig Mark Ermäßigung gewährt die EFA Auszubildenden, StudentInnen und SchülerInnen. Arbeitslose können für EDV-Kurse bis zu achtzig Mark erlassen bekommen, da sie außerdem Zuschüsse vom Arbeitsamt bekommen. SozialhilfeempfängerInnen zahlen die volle Gebühr.

Ebenso Inhaftierte. Genauer gesagt ist die EFA da immer noch unschlüssig. „Den Fall hatten wir noch nicht“, sagt Frau Nitzer dazu, die ihren Vornamen nicht nennen will. Sie müsse noch Rücksprache mit dem Chef halten. Letzten Freitag teilte Frau Nitzer dem Inhaftierten auf seine Nachfrage hin mit, es „sehe schlecht für ihn aus.“ Das wertete der Gefangene als Absage. „So habe ich es nicht gesagt“, erzürnt sich Frau Nitzer gegenüber der taz. „Diese Sache wird immer unerfreulicher!“

Die EFA müsse sich an die Gebührenordnung halten. Auf die Frage , wer diese festlege, gibt die Verwaltungsleiterin nur zögernd Auskunft: „Die wird vom Vorstand genehmigt. Mehr sage ich Ihnen nicht. Sie sind dabei, mich auszufragen.“

Der Vorstandsvorsitzende der EFA, Horst Jäger, war überhaupt nicht zu sprechen. Die Evangelische Bildungs-Akademie ist ein eingetragener Verein unter dem „Dach“ des Bildungswerks der Bremischen Evangelischen Kirche. Der Inhaftierte wandte sich auf Anraten eines evangelischen Pastors an die Presse.

185 Mark hat der Häftling bereits für eine Woche EDV-Unterricht an die EFA bezahlt; sein zweiter Kurs – Windows '95 – wird 238 Mark kosten. Bei einem Tagessalär von 9,91 Mark kann er den Betrag unmöglich aufbringen. Der Fehlbetrag wird nun mit vollzugsinternen Zuschüssen gedeckt.

Doch obwohl der Inhaftierte eine Verdienstbescheinung vorgelegt hat, klammert sich die EFA an ihre Gebührenordnung. Andere Weiterbildungsträger sind da entschiedener: „Ich habe gerade auch so einen Fall, bei uns bekommt der Mann selbstverständlich eine Ermäßigung“, sagt dazu Eckard Bartschat, EDV-Sachgebietsleiter bei der Volkshochschule. „Die Leute müssen bei uns einen Einzelantrag stellen; ich habe dann die Entscheidungshoheit über einen Nachlaß. Da gibt es aber keine Diskussion, das ist vertretbar.“ Bis zu hundert Mark Ermäßigung gewährt die VHS. Früher hatte sie sogar noch ein spezielles Sachgebiet „Weiterbildung für Gefangene“, gebührenfrei.

Auch die Angestelltenkammer behalte sich Einzelfallentscheiungen vor. „Die sind allerdings im Nachgang des Theaters mit dem Rechnungshof schwieriger geworden.“ Hans-Ludwig Endel hat als Leiter der Wirtschaftsakademie die Entscheidungsbefugnis, „wir müssen aber nun mit der Einführung der Kammercard für Mitglieder in jedem Fall den Bezug zum 'Angestelltendasein' deutlich machen können.“ Ein Inhaftierter hätte also womöglich die Aussicht auf einen Gebührennachlaß, wenn er vor der Inhaftierung Angestellter war oder aber eine Umschulung im Angestelltenbereich mache und absehbar sei, daß er wieder Angestellter werde.

„Inhaftierte besuchen nun mal vor allem Kurse bei Volkshochschule oder Angestelltenkammer, die gehen also souveräner mit den Fällen um.“

Thomas Staab vom Bremer Gefangenenhilfsverein Hoppenbank hat daher gewisses Verständnis für die Verwirrung innerhalb der Evangelischen Familien-Akademie. Sollte sie den Antrag auf Gebührenerlaß jedoch tatsächlich ablehnen, empfiehlt Staab dem Inhaftierten zu klagen. sip