Größenwahn mit Technobeats und Naturmystik

■ Love Parade im achten Jahr: Alles wird anders, nur die Drogen bleiben gleich

„Alle sieben Jahre gibt es eine Zeitenwende im Leben eines Menschen“, verkünden die Veranstalter der Love Parade. Deshalb sei es „vielleicht kein Zufall“, wenn im achten Jahr des Umzugs „vieles anders werden wird“.

Neu ist die Route: Nachdem der Wunsch der Veranstalter, die Love Parade Unter den Linden stattfinden zu lassen, am Widerspruch des Senats gescheitert war, soll der Troß von 40 Technolastern nun durch den Tiergarten ziehen, vom Ernst-Reuter-Platz zum Brandenburger Tor und zurück zur Siegessäule. Und weil es sich um eine politische Demonstration handele, wie die Veranstalter nicht müde werden zu betonen, werde es diesmal auch eine Abschlußkundgebung geben. Love-Parade-Initiator Dr. Motte werde dort den erwarteten 500.000 Ravern das Motto „We are one family“ erläutern.

Auch das Müllkonzept ist neu. Nachdem im letzten Jahr der Ku'damm trotz bester Absichten der Veranstalter, einem Sponsorenvertrag mit der Stadtreinigung und dem Einsatz von 300 freiwilligen „Trash-Terminatoren“ einem Schlachtfeld glich, soll diesmal alles anders werden. Die besseren Kontrollmöglichkeiten, die die Strecke durchs Grüne gegenüber den Häuserschluchten bietet, sollen ausgenutzt und gleichzeitig in höheren Verdienst umgewandelt werden.

Konnten sich durstige Raver auf dem Ku'damm noch an Kiosken mit Flüssigkeit eindecken, wird der Getränkeverkauf in diesem Jahr von den Veranstaltern selbst organisiert. So soll verhindert werden, daß Einwegmüll ins Grüne geschmissen wird. An 60 Ständen entlang der Strecke sollen Getränke in Pfandbechern „zu fairen Preisen“ verkauft und fliegende Händler gemeinsam mit der Polizei verscheucht werden.

Außerdem sollen die Raver die Bäume in Frieden lassen und zum Tanzen auf dem Asphalt bleiben. Deshalb ist eine „Der Baum ist dein Freund – er lebt“-Kampagne geplant. Mit den Worten von Dr. Motte heißt das: „Bäume sind Lebewesen. Die sollen genauso leben wie wir alle.“

Auch das Verkehrskonzept ist neu. Die BVG wird für 10 Mark ein Sonderticket anbieten, das die Raver von Samstag bis Sonntag morgen von Party zu Party bringen soll. Einige U-Bahn-Linien werden die ganze Nacht durchfahren und Busse von Club zu Club fahren, damit die Karten auch genutzt werden.

Nur die Drogen scheinen noch die gleichen zu sein: Ecstasy und Kokain. Für den Pillenabusus und das damit einhergehende Weltbekehrungsbedürfnis stehen Aussagen wie Dr. Mottes Demo-Aufruf: „Die Love Parade ist ein Zeichen für die Liebe auf der Erde. Weil die Love Parade auf dieser Erde stattfindet, ist sie ein Zusammenkommen aller Familienmitglieder dieser Erde... Das gibt uns die Möglichkeit, miteinander zu sein, Spaß zu haben und gemeinsam zu tanzen. Dadurch, daß wir glücklich sind, entsteht ein friedvolles Miteinander, was wir alle wollen.“

Eher für die Kokain-Option und die damit verbundenen Allmachtsphantasien stehen Planungen wie die, die Love Parade in Finnland und Australien stattfinden zu lassen. Unterstützt wird solcher Größenwahn durch Sponsoren wie den Musikkanal MTV, der ein weltweites Love-Parade- Weekend ausrufen wird. Tobias Rapp