Liberaler Schwung schwungvoll ausgebremst

■ Possenspiele statt parlamentsreifer Politik auf dem Landesparteitag der FDP

Der FDP-Landesvorsitzende Martin Matz hatte es ganz unbescheiden formuliert: „Nur wir selbst können uns daran hindern, wieder ins Abgeordnetenhaus einzuziehen.“ Seine Mitglieder hatte er damit richtig eingeschätzt. Auf dem Parteitag der Berliner Liberalen am Samstag zeigten sich die Delegierten nicht gerade parlamentsreif.

In seiner Eingangsrede hatte der Landesvorsitzende noch die neue Einheit beschworen. Obwohl er „das Thema nicht mehr hören kann“, forderte er die Flügel wortreich auf, „die Öffentlichkeit nicht mehr mit internen Possenspielen zu beschäftigen“. Aber der Appell war vergeblich. Die Nationalliberalen hatten sich in den Kopf gesetzt, den Parteitag zu prägen und sich dafür eine neue Strategie zugelegt: Statt frontaler Angriffe war Blockade-Politik angesagt. Erst wollten sie das Parteitagspräsidium mit den eigenen Leuten bestückt sehen, was den Start der Veranstaltung um eine Stunde verzögerte. Und die Aussprache um die Rede von Matz verkam dann zum inhaltsleeren Pingpong zwischen den Fraktionen. Alexander von Stahl, der im Januar unterlegene Kandidat der Nationalliberalen, hatte dafür den Startschuß gegeben: Er wolle programmatisch erst wieder mitarbeiten, wenn der Landesvorstand „den Gesinnungs- TÜV“ abschaffe. Bisher ist aus den vollmundigen Ankündigungen des Landesvorsitzenden Matz, rechte Drahtzieher auszuschließen, nichts geworden. Die eingerichtete Arbeitsgruppe prüft seit Januar und werde, so Matz, weiter prüfen.

Zum wichtigsten Punkt der Tagesordnung, dem Leitantrag, kamen die Delegierten erst am späten Nachmittag. Mit phantasiereichen Geschäftsordnungsanträgen blockierten die Rechten bis dahin die Beratungen. Obwohl, wie sich die Flügel gegenseitig versicherten, die Positionen gar nicht so weit auseinanderlägen.

Der Schwung vom Karlsruher Bundesparteitag wurde in Berlin entschieden abgebremst. Aus Karlsruhe sollte aber nicht nur der Schwung, sondern auch das Thema übernommen werden. Wenn Matz am Samstag nicht gerade von den innerparteilichen Auseinandersetzungen sprach, pries er seinen Mitgliedern „den schlanken Staat“ an. Er forderte die Partei auf, die Krise der Berliner Finanzen als Chance zu begreifen, „den Staat endlich auf seine Kernaufgaben zu reduzieren“. Und kaum einer widersprach. Nur dem jungliberalen Schrader schlug das sozialliberale Gewissen. Er warf Matz vor, den Liberalismus-Begriff zu verengen und forderte, im Leitantrag nicht nur auf die Radikal-Diät zu setzen.

Das Kapitel „Schlanker Staat als Grundlage der Bürgergesellschaft“ aus dem Leitantrag des Vorstandes war letztlich dann aber das einzige, was auf dem Parteitag überhaupt verabschiedet wurde. Für weitere inhaltliche Diskussionen reichten weder die Zeit noch die Puste der Delegierten. Barbara Junge