Schulungsvideo über Bolle

■ Beim Regierungsumzug ist auch im Fernsehen Bierernst geboten: „Die Umzugsmacher“, 21.15 Uhr, B1

Der Regierungsumzug ist eine todernste Sache. Auch für den SFB. Da verkneift man sich lieber die Ironie und steigt gleich bar jeder Leichtigkeit ein: Zu Anfang verliest Rita Süssmuth, unterlegt von Marschmusik, das Abstimmungsergebnis der Hauptstadtwahl, dann bekennen Bonner Beamte im Transit-Shuttle larmoyant Heimweh, und als Krönung des holzigen Intros kratzen sich wortkarge Bolle-Berliner vom Alex am Kopf: „Ick find det irjendwie doof, wa.“

Bei dieser Ballung nichtssagender Sequenzen ist man selbst für ein Späßchen von Umzugsminister Klaus Töpfer dankbar: „Holt doch mal ein paar Akten her, ist alles so leer hier.“

Das Thema Umzug in Bild und Ton umzusetzen ist offensichtlich nicht leicht, und die Zeit für eine sauber recherchierte Reportage wurde angesichts des fünfjährigen Jubiläums des Beschlusses auch knapp. Doch ist das alles keine Entschuldigung dafür, die Zuschauer mit einer Art Telekolleg zu quälen, das sich in puncto Bebilderung auf das vertikale Abschwenken von Senatoren beschränkt. Im Tonfall eines Schulungsvideos wälzt der Kommentar die Plattitüden („Die Logistikexperten“) vor sich her und vermerkt pikiert, daß sich im alten Teppich „noch die Abdrücke von Honeckers Schreibtisch befinden“. Natürlich darf auch der quasi rituelle Verweis auf den schlechten Geschmack des alten Klassenfeindes nicht fehlen: Angeekelt gleitet die Kamera über das Plastemobilar im Palast der Republik. Wer schon mal beim SFB war, weiß, daß die Stühle dort nicht viel anders aussehen.

Dabei geht es in der Reportage von Sibylle Smolka zuweilen auch weniger pomadig und frohlockend zu. Eher am Rande erfährt man, welche Unannehmlichkeiten der Umzug für die Berliner mit sich bringt. Von der Sperrung weiter Teile des Tiergartens hin zu Helmut Kohls Paranoia, die keine neuen Häuser hinter dem Kanzlergarten zuläßt. Doch leider sind solche Aperçus selten.

Zur Zeit wird allenthalben an Reportagen über den Umzug gebastelt. Da darf man gespannt sein, ob Spiegel TV dem Thema mehr abgewinnen kann, als ein paar Statements von Architekten und Ökoingenieuren, die die Solarzellen auf dem Reichstag verschrauben. Oliver Gehrs